Mein Grab, der Baum

HÜMMEL/TRIER. Aus den Nährstoffen der Asche soll neues Leben entstehen. Für manch einen Naturfreund ist es deshalb sicher eine schöne Vorstellung, unter einem Baum begraben zu werden. Andere reizt an den neuen "Friedwäldern" wohl vor allem der günstige Preis.

770 Euro - dafür ist ein Grab in freier Natur zu haben. Bei der Darmstädter Firma "Friedwald GmbH" gibt es für diese Summe eine Beisetzung unter einem Baum in einem ihrer "Friedwälder". Den Baum kann man sich in den als Friedhöfen ausgewiesenen Waldstücken aussuchen. Eine aus Maisstärke gefertigte Urne wird dann, gefüllt mit der Asche des Verstorbenen, fünfzig Zentimeter tief unter diesem Baum vergraben. Der Baum wird mit einem kleinen Schild gekennzeichnet, auf dem allerdings kein Name steht, sondern lediglich eine Nummer oder eine Buchstabenkombination. Mit diesem Kennzeichen sowie mit den genau vermessenen Koordinaten des Baumes können die Angehörigen ihren Verstorbenen jederzeit wieder finden. Eine preisgünstige Form der Bestattung: Die Urne wird an das Forstamt geliefert, der Förster sorgt für das Loch, Grabstein und weitere Grabpflege entfallen - die übernimmt die Natur. Nummer statt Grabstein, Förster statt Bestatter

Mit dem Grab-Erwerb wird dem Verstorbenen ein Recht am Baum für 99 Jahre eingeräumt. Sollte der Baum umkippen oder der Blitz einschlagen, wird er ersetzt. Ganz allein ist man für 770 Euro allerdings nicht. Bis zu neun weitere Verstorbene werden rund um die Wurzel gebettet. Wer einen exklusiven Baum will, muss tiefer in die Tasche greifen. Ein Gemeinschaftsbaum, beispielsweise für die ganze Familie und auch gleich für künftige Generationen, kostet 3350 Euro, was immer noch erheblich billiger ist als ein herkömmliches Grab für zehn Personen. Der Preis und die Tatsache, dass es offenbar immer mehr Menschen gibt, die sich der Natur innig verbunden fühlen, sind sicher die Hauptgründe für einen derzeit zu beobachtenden regelrechten Boom der Friedwälder. Zwei gibt es schon in Hessen, einer ist im rheinland-pfälzischen Hümmel (Kreis Ahrweiler) geplant, Genehmigungsverfahren laufen in Niedersachsen und Baden-Württemberg. Im Saarland hat der Landtag gerade gestern eine Änderung des Bestattungsgesetzes verabschiedet, die Friedwälder überhaupt erst möglich macht. Auch an der Saar werden sich katholische Priester allerdings kaum an Bestattungen im Wald beteiligten. Denn das Bistum Trier hat einige grundsätzliche Vorbehalte gegen diese Form der Bestattung. Die richten sich zum Beispiel gegen die Tatsache, dass es keine namentliche Kennzeichnung gibt. Trotz der "Nummernschilder" sei die Bestattung im Friedwald letztlich anonym, argumentiert das Bistum. "Trauer und Totengedächtnis brauchen den konkreten Ort und konkrete Zeichen", heißt es in einer Stellungnahme. Eine namentlich erkennbare Grabstätte bleibe "der geeignete Ort, den Glauben an die persönliche Auferstehung sinnvöllig darzutun", weil der Mensch "persönlich geschaffen, geliebt und von Gott erlöst" worden sei. "Die Kirche sieht den Menschen nicht als Nummer", sagt auch Gebhard Lück, der sich als Priester von Hümmel gegen den dort geplanten Friedwald wendet. "Das verletzt die Würde des Menschen." Die Bestattung im Friedwald erinnere außerdem an heidnische Vorstellungen, kritisiert Lück, und auch das Bistum mutmaßt in seiner Stellungnahme, es gebe atheistische, naturreligiöse oder esoterische Hintergründe. Zudem stört die Kirchenmänner der Kommerz: Es gehe den Kommunen nicht um eine alternative Bestattungsform, sagt Pfarrer Lück, "die sanieren bloß ihren Forsthaushalt". Bestattung im Wald: Heidnischer Brauch oder Naturverbundenheit? Ihre Meinung in Kürze per E-Mail an meinung@volksfreund.de . Mails können nur veröffentlicht werden, wenn uns Name und Anschrift vorliegen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort