Nachspiel im Parlament

Landtagspräsident Joachim Mertes (SPD) hat Generalstaatsanwalt Norbert Weise gerügt, weil der sich kritisch mit dem Instrument des Richterwahlausschusses beschäftigt hat. Die CDU will das Thema in den Ältestenrat des Landtags bringen.

Rheinland-Pfalz. Keine Stellenbesetzung wie die Nachfolge von Justizminister Heinz-Georg Bamberger (SPD) an der Spitze des Oberlandesgerichts Koblenz ist in der Geschichte des Landes so politisch und juristisch umstritten gewesen wie die Amtseinführung von Ralf Bartz, der mit fünf SPD-Stimmen gewählt worden ist. Monatelang sorgte die Kandidatensuche für Streit im Landtag - zuletzt in einer Sondersitzung, in der die CDU Bambergers Rücktritt forderte. Weil das Abstimmungsverhalten im Richterwahlausschuss bekannt- geworden war, musste die Staatsanwaltschaft wegen Geheimnisverrats ermitteln. Das Bundesverfassungsgericht hat die Blitzernennung von Bartz gerügt, Bamberger einen Verfassungsverstoß vorgeworfen und dem Mitbewerber Hans-Josef Graefen den neuen Instanzenweg eröffnet. Als sich im Koblenzer Schloss am 5. November die Gäste zur feierlichen Amtseinführung versammeln, ist die Vorgeschichte natürlich Gesprächsstoff. Offiziell ist die Vorgeschichte aber kein Thema. In der Feierstunde ist es denn auch nur Generalstaatsanwalt Weise, der in wohlgesetzten Worten in einem Grußwort auf die Besonderheit der Stunde eingeht. Landtagspräsident Joachim Mertes (SPD) ist nicht dabei, ärgert sich aber mächtig über die Rede-Auszüge und sorgt für ein parlamentarisches Nachspiel: Mertes liest, dass Weise die Krux des Verfahrens auch in dem auf Druck der SPD eingeführten Instrument des Richterwahlausschusses sieht, dem acht Abgeordnete, zwei Richter und ein Rechtsanwalt angehören. Weise sagt: "Bei dieser Zusammensetzung liegt es auf der Hand, dass Einfluss genommen werden kann und dass - beispielsweise in Form von Absprachen oder Kompromissen - den Parteien genehme Persönlichkeiten für wichtige Positionen ausgewählt werden können." Der Generalstaatsanwalt bleibt im Theoretischen. Aber der Applaus zeigt: Er hat den Nerv vieler Gäste getroffen. Beim Glas Wein im Foyer lobt manch einer "den Mut", diese Meinung zu vertreten. Weise wundert sich: "Soll dies nicht mehr möglich sein?" Mertes reagiert in ungewöhnlich scharfer Form. Er schreibt: "Es erschreckt mich jedoch, wenn gerade jemand, der für die Einhaltung der Gesetze in diesem Land in besonderem Maße Sorge zu tragen hat, sich dazu hinreißen lässt, in dienstlicher Funktion und in in völlig unpassendem Rahmen eine fundamentale Kritik an seinem Dienstherren, den an dieser Entscheidung beteiligten Abgeordneten und dem Gesetzgeber selbst zu üben. Der Richterwahlausschuss ist vom Landtag Rheinland-Pfalz durch Gesetz eingerichtet worden, um die demokratische Legitimation der Richterauswahl zu stärken. Die Auswahl und Beförderung der Richter allein durch die Exekutive ist ein Erbe des Obrigkeitsstaates." Die Rüge endet mit den Worten, dass er von hohen Beamten erwartet, "dass sie für diesen Staat und seine Institutionen eintreten und ihn nicht öffentlich und zudem in amtlicher Funktion kritisieren oder gar verächtlich machen". Die Opposition liest den offiziellen Brief als disziplinierenden Appell zu mehr Wohlverhalten und ist empört. Fraktionschef Christian Baldauf will den "bemerkenswerten Vorgang" im Ältestenrat des Parlaments zu Sprache bringen.

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