Nebenjobs von Beamten Angst treibt die einen, Aida die anderen

Mainz/Trier/Wittlich · Polizisten und Vollzugsbeamte haben eigene Motive, warum sie neben der Arbeit noch jobben.

„Immer häufiger kommt es vor, dass Häftlinge mit Gläsern nach Kollegen werfen“, sagt ein Vollzugsbeamter aus dem Raum Trier, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Der Ton in den Gefängnissen werde rauer, mehr Mitarbeiter erkrankten, klagt er. „Gerade dann braucht es Oasen der Ruhe, um wieder Kraft zu tanken.“ Damit meint der Vollzugsbeamte den Feierabend. Doch den übergehen nach seiner Beobachtung immer mehr Mitarbeiter in Gefängnissen, weil sie sich ein paar Euro dazu verdienen wollen. Oder müssen, wie er sagt.

Das Gewerkschaftsmitglied, das mit dem TV spricht, kennt die Nöte. Seit mehr als zehn Jahren jobbt der Mann neben der Arbeit. Bis zu acht Stunden in der Woche prüft er Kundenbeschwerden für eine Firma mit 70 Arbeitern. Es könne vorkommen, dass die Schicht im Gefängnis um 14 Uhr ende – und eine halbe Stunde später schon ein Termin warte. Inzwischen habe er sich daran gewöhnt. Die jüngeren Kollegen bedauere er aber, weil die neben dem Beamtensold oft auf zusätzliches Kleingeld angewiesen seien, um über die Runden zu kommen. Es könne viele Gründe geben, warum das Gehalt am Ende des Monats nicht reicht: Familie, Scheidung, teure Mieten. Zwar komme ein Vollzugsbeamter mit zwei Kindern auf gut 2300 Euro im Monat, rechnet er vor. Doch davon gehe noch die private Krankenversicherung ab oder ein zweites Auto, um von umliegenden Orten überhaupt nachts zur Schicht zu kommen. Nachtzuschläge und Urlaubsgeld seien kräftig eingestampft worden. Wer alleine eine Familie unterhalten wolle, für den werde es dann schon eng, sagt der Mitarbeiter.

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Wenn Staatsbeamte kellnern müssen - Jeder sechste Polizist in Rheinland-Pfalz hat einen Nebenjob

Winfried Conrad, Landeschef des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, spricht von einer hohen Zahl an Bediensteten, die aus Not einen Nebenjob ausüben. „Ich höre von Leuten, die Taxi fahren, Lieferungen ausfahren oder für Sicherheitsdienste arbeiten“, sagt er. Gut jeder vierte Mitarbeiter in den rheinland-pfälzischen Gefängnissen hat eine Nebentätigkeit angemeldet. Für nahezu jeden sechsten Beamten gilt das bei der Polizei. Die Mehrfachbeschäftigungsquote in Rheinland-Pfalz liegt insgesamt bei 9,3 Prozent, teilt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit.

Warum gehen anteilig mehr Beamte in Nebentätigkeiten? Als Grund dafür nennen die Gewerkschaften auch die Schichtmodelle, die in Gefängnissen mal Zeiten von sechs bis 14 Uhr oder von 22 bis sechs Uhr umfassen. Diese ermöglichten es, an manchen Tagen noch anderen Aufgaben nachzugehen. Der Trend, es des nötigen Kleingeldes wegen zu tun, gefällt Conrad aber ebenso wenig wie Ernst Scharbach von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Polizisten versucht der TV vergeblich zu kontaktieren, als es um Nebenjobs geht. „Viele Kollegen meiden es, darüber zu sprechen, weil sie sich schämen“, sagt Scharbach, der aber Ideen hat, Beamte zu entlasten. Die Besoldung zu verbessern sei das eine. Der Gewerkschafter schlägt aber auch vor, dass das Land zunehmend eigene Wohnungen halten und an Bedienstete vermieten sollte – zu fairen Preisen.

Ein Verbot von Nebenjobs, darin sind sich alle einig, ergebe keinen Sinn. Zumal mancher Beamte eine Nebentätigkeit nicht ausübt, um das große Geld zu kassieren. Mit Ausnahme von 16 Fällen lagen bei den Bediensteten im Vollzug die monatlichen Nebenverdienste unter 450 Euro, teilt das Justizministerium mit. Finanzielle Aspekte könnten eine Rolle spielen. Aber auch der Wunsch, seinem Hobby nachzugehen. Das könne auch zu ganz ausgefallenen Fällen führen, wie bei einer urlaubenden Polizistin in Rheinland-Pfalz, sagt ein Insider mit einem Lächeln. „Die gute Frau singt regelmäßig auf der Aida.“ Als Nebentätigkeit musste sie es melden.

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