Ohne besondere Auffälligkeiten

TRIER. Wegen Kindesmissbrauchs und Brandstiftung hat das Trierer Landgericht gestern einen 32-jährigenRivenicher zu vier Jahren Haft verurteilt.

Intakte Familienverhältnisse, eine gut bezahlte Arbeitsstelle in Luxemburg und eine Beziehung, wie es sie in Trier und überall sonst wohl zu Tausenden gibt: Offensichtliche Günde dafür, dass Andreas E. (Name von der Redaktion geändert) im Sommer 2003 plötzlich aus der Spur läuft, gibt es keine. Und auch der psychiatrische Gutachter kann bei der Gerichtsverhandlung gegen den 32-Jährigen aus Rivenich nur Vermutungen darüber anstellen, warum sich Andreas E. im vergangenen Juni Kindern nackt zeigte und ihnen obszöne Fragen stellte. Und warum er in der ersten Augusthälfte die Feuerwehr und die Dorfbewohner von Rivenich mit Brandstiftungen im Stundentakt in Rage brachte.Gestörte Persönlichkeit, voll schuldfähig

Zusammengesunken, mit gerötetem Gesicht und gesenktem Blick sitzt Andreas E. auf seinem Stuhl, als Oberstaatsanwalt Peter Hemmes die Anklageschrift vorliest. Sechs Mal insgesamt habe er im Juni 2003 in Hetzerath und Schweich aus seinem Auto heraus Mädchen im Alter von neun bis 15 Jahren angesprochen, sich ihnen nackt gezeigt und ihnen obszöne Fragen gestellt. Sechs Mal habe er rund um Rivenich Brände gelegt, ein Mal eine Brandgefahr verursacht. "Ja, genau so war es", legt Andreas E. vor der dritten Großen Strafkammer des Trierer Landgerichtes leise sein Geständnis ab. Frage um Frage stellt Richter Jörn-Holger Schlottmann dem Angeklagten. Warum er die Brände gelegt habe? Wie er auf die Idee gekommen sei, die Mädchen zu belästigen?Andreas E. antwortet einsilbig. Nein, den Grund für die Taten kenne er nicht. Nein, nachgedacht habe er nicht. "Ich wäre froh, wenn Sie mich in ihren Kopf reinschauen lassen würden, damit ich verstehe, warum Sie das gemacht haben", sagt Richter Schlottmann. "Wenn ich die Gründe wüsste, würde ich sie Ihnen sagen", antwortet Andreas E. Als eine der sechs Brand-Geschädigten aus Rivenich in den Zeugenstand gerufen wird, grüßt Andreas E. sie scheu. "Der Andreas hat früher immer mit meinem Sohn gespielt", sagt die Zeugin."Das hätte ich ihm nie zugetraut." Seine Ex-Freundin berichtet bei ihrer Aussage von einer eigentlich normalen Beziehung. Zwar hätten sie sich häufig gestritten, aber irgendwie auffällig sei Andreas E. nicht gewesen. "Aber richtig zu ihm durchgekommen bin ich nie", sagt sie. Joachim Werner, Chefarzt der psychiatrischen Abteilung des Wittlicher Krankenhauses, bestätigt in seinem Gutachten die Ex-Freundin: "Andreas E. ist deutlich darin eingeschränkt, mit Konflikten umzugehen, über sich selbst zu reden." Sowohl der Kindesmissbrauch als auch die Brandstiftungen seien wahrscheinlich kein Ausdruck sexueller Perversion. Vielmehr habe Andreas E., der sonst ein eher hilfloser Typ sei, sich Aufmerksamkeit verschaffen und Macht ausüben wollen. "Seine Schuldfähigkeit wird von dieser Persönlichkeitsstörung aber nicht gemindert", sagt Werner. In seinem Plädoyer fordert Oberstaatsanwalt Hemmes eine Gesamtstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. "Nur weil er Glück gehabt hat, und die Brände sich nicht ausgebreitet haben, kann man von Brandstiftung in minderschweren Fällen sprechen", begründet Hemmes das eher niedrige Strafmaß. Verteidigerin Karin Adrian weist in ihrem Plädoyer auf die unreife Persönlichkeit ihres Mandanten hin. "Er ist kurzfristig aus der Rolle gefallen, die Taten sind für ihn selbst schockierend", wirft sie in die Waagschale und bittet das Gericht um eine Bewährungsstrafe mit der Auflage einer Psychotherapie. "Mein Mandant will mit psychologischer Hilfe an sich arbeiten", sagt sie. Die Kammer verurteilt Andreas E. zu vier Jahren Haft. "Ich hoffe, dass diese eher geringe Strafe ausreicht, den Angeklagten, der vorher nie strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, wieder auf die richtige Bahn zu bringen", schließt der Richter .

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