"Politische Ämter sind stets auf Zeit verliehen"

Mainz · Martin Stadelmaier, Chef der Staatskanzlei, nimmt sich eine politische Auszeit, sagt er im Interview mit dem Volksfreund. Seine Tätigkeit ist verbunden mit Ministerpräsident Kurt Beck, der 2013 von Malu Dreyer abgelöst wird.

 Martin Stadelmaier.Foto: dpa

Martin Stadelmaier.Foto: dpa

Mainz. Wer Martin Stadelmaier beschreiben will, dem fällt unweigerlich ein Wort ein: Strippenzieher. Diesen Titel hat sich der 54-Jährige neun aufopferungsvolle Jahre lang redlich verdient. Der gebürtige Bonner hat für Beck die Macht gemanagt und einen dazu beigetragen, dass Beck dienstältester Regierungschef in Deutschland ist. Mit Stadelmaier sprach TV-Redakteur Frank Giarra.
Herr Stadelmaier, sind Sie mit dem Überraschungscoup der rheinland-pfälzischen SPD, dass die Triererin Malu Dreyer Ministerpräsidentin wird und Roger Lewentz Parteichef, zufrieden?
Martin Stadelmaier: Hoch zufrieden! Die breite Akzeptanz in der Bevölkerung und allen Medien spricht für sich.
Hat Kurt Beck diesbezüglich alles richtig gemacht?
Stadelmaier: Unbedingt. In allen Regierungen ist ein Stabswechsel einer der schwierigsten Momente. Kurt Beck hat ihn gemeistert, das ist eine großartige politische Leistung. Nur wenige Spitzenpolitiker sind in der Lage, so wie er Leute um sich herum groß werden zu lassen.
Sie sind Becks rechte Hand - was machen Sie ab Januar?
Stadelmaier: Ja, deshalb scheide ich ebenfalls aus. Das entspricht auch meinem Verständnis von diesem Amt.
Was meinen Sie damit?
Stadelmaier: Es geht nicht nur darum, die großen Linien der Politik zu koordinieren, das können viele. Die Feinsteuerung ist entscheidend, und dazu braucht es ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Regierungschef und Chef der Staatskanzlei.
Trifft Sie das Ausscheiden unvermittelt?
Stadelmaier: Damit habe ich mich seit Jahren immer wieder beschäftigt. Politische Ämter sind stets auf Zeit verliehen.
Was werden Sie tun?
Stadelmaier: Ich nehme eine politische Auszeit. Mein Sohn und meine Familie werden fröhlich sein. Das Amt ist kräftezehrend und mit einem gewissen Raubbau an der Gesundheit verbunden. Meinen Sitz im ZDF-Fernsehrat behalte ich. Ein politischer Mensch bleibe ich natürlich. Ich habe den Job immer mit Leidenschaft gemacht. Ich werde in aller Ruhe abwarten, welche neuen Aufgaben sich ergeben.
Dem Vernehmen nach wird Sozial-Staatssekretärin Jacqueline Kraege Ihre Nachfolgerin. Da Frau Dreyer Ministerin ist, wäre die Spitze des Sozialministeriums komplett neu zu besetzen.
Stadelmaier: Da müssen Sie Malu Dreyer fragen. Aber es ist in der Tat eines der Ressorts, die für die Kernmarke "soziale Gerechtigkeit" der SPD höchste Relevanz haben. Wenn wir in dieser Kernmarke nicht gut sind, verliert die Partei bei Wahlen. Ich bin sicher, dass gute Lösungen gefunden werden.
Haben Sie den Eindruck, dass die CDU von den Entwicklungen völlig überrumpelt wurde?
Stadelmaier: Ja, und damit bin ich sehr zufrieden. Julia Klöckner und die CDU waren einseitig auf eine Option Roger Lewentz oder Hendrik Hering als Ministerpräsident fixiert, alle anderen Lösungen haben sie außer Acht gelassen.
Manche bezeichnen Hendrik Hering als Verlierer, weil er "nur" SPD-Fraktionschef bleibt.
Stadelmaier: Nein. Er war von Anfang an in alle Entscheidungen einbezogen. Der Job als Fraktionschef ist eminent wichtig. Dort braucht es jemanden wie ihn, der strategisch über den Tag hinaus denken kann. Und die Fraktion steht voll hinter ihm.
Und Roger Lewentz? Ist er enttäuscht, dass er nicht Ministerpräsident wird?
Stadelmaier: Ich glaube das nicht. Die Partei ist seine Herzensangelegenheit, das hat er schon als SPD-Generalsekretär eindrucksvoll nachgewiesen.
Zurück zu Ihnen: War die Bewältigung der Nürburgring-Affäre Ihre schwierigste Baustelle?
Stadelmaier: Im Sinne von krisenhaft kann man das so sehen. Wobei die Wirtschafts- und Finanzkrise weit bedeutender war, denn das war eine wirkliche Krise, die die Leute betrifft. 2008 fielen für mich Weihnachten und Neujahr aus, damals haben wir unter anderem die Konjunkturpakete auf den Weg gebracht.
Sie haben Ihr Amt am 1. Juli 2003 angetreten - was bleibt nach mehr als neun Jahren haften?
Stadelmaier: Die Zeit für politische Bilanzen kommt noch. Damals war mein Sohn 60 Zentimeter groß, heute ist er 1,45 Meter und neun Jahre alt. Daran kann ich diese Zeit am deutlichsten und vergnüglichsten ablesen.

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