Qualitätskriterien für Kliniken: Patientenschutz oder unnötige Bürokratie?

Trier · Die zunehmenden Qualitätsanforderungen stellen Kliniken und Pfleger vor enorme Herausforderungen.

Das Infektionsrisiko in Krankenhäusern ist messbar. Auch die Sterberate nach komplexen Operationen. Und daran lässt sich auch die Qualität der ärztlichen Behandlung messen. Diese und andere Qualitätskriterien legt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) von Krankenkassen, Kliniken und Ärzten fest. "Es ist gesetzlich geregelt, dass die Versicherten einen Anspruch auf angemessene, wirtschaftliche und zweckmäßige medizinische Versorgung haben. Der Gemeinsame Bundesausschuss, konkretisiert, was das heißt", sagt Josef Hecken.

Der 59-jährige Neuwieder, der in Trierer Jura studiert hat, und von 2004 bis 2008 Gesundheitsminister im Saarland war, ist seit 2012 Vorsitzender des GBA. Und Hecken ist jemand, der keine Scheu hat, anzuecken. Er weiß, dass die Qualitätskriterien, die sein Ausschuss festlegt, eine Belastung für viele Krankenhäuser sind. Personell. Aber auch bürokratisch. Um die Qualität zu belegen und sie nachweisbar zu machen, muss jeder Behandlungsschritt dokumentiert werden. Dadurch entstehe der Eindruck, dass bei vielen Anforderungen nicht mehr der Mensch, also der Patient im Mittelpunkt stehe, sagt Thomas Jungen, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der katholischen Krankenhäuser in der Diözese Trier.

Bei einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft ist deutlich geworden, dass einige Klinikträger, bezweifeln, dass Qualitätsmaßnahmen tatsächlich zu Verbesserungen führen. Die wachsende Bürokratie, die durch Dokumentation und Kontrolle entsteht, müsse eingedämmt werden, sagte Ingo Morell, Vizepräsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft.

Hecken hat Verständnis für die Kritik. Er fordert daher, die "Ressource Personal" stärker aufzuwerten und mehr für die Attraktivität des Pflegeberufes zu tun. Denn auch Pfleger leiden unter den zunehmenden Anforderungen, wie Thorsten Servatius von der Gewerkschaft Verdi deutlich macht. Die Gewerkschaft fordert gesetzliche und bundesweit einheitliche Vorgaben für die Personalausstattung in Krankenhäusern. "Ganz klar" stehe bei den Qualitätsanforderungen der Patientenschutz im Vordergrund, sagt Hecken. "Uns geht es nicht darum, Patienten Leistungen aus Kostengründen vorzuenthalten, sondern es geht um eine optimale Behandlungsqualität." Er spreche sich ganz klar "gegen Rationierung in der medizinischen Versorgung" aus.

Können die Krankenhäuser die Qualitätsvorgaben aufgrund der Personalnöte und Arbeitsbelastung also überhaupt erfüllen? "Dass Krankenhäuser über einen Mehraufwand klagen, wenn ihre Leistungen gemessen werden, das ist klar. Aber wir machen das ja nicht, um die Kliniken zu ärgern. Es gibt dazu klare gesetzliche Vorgaben", sagt Hecken. Jeder Patient habe Anspruch darauf, "bestmöglich nach dem aktuellen Stand der medizinischen Qualität behandelt zu werden". Und weiter: "Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber auch entschieden, dass Kliniken in Qualitätsberichten ihre Qualitätsmerkmale darstellen müssen. Wenn Infektionsraten oder Sterberaten auffällig hoch sind, muss aufgeklärt werden, woher diese Mängel kommen und gegebenenfalls Konsequenzen gezogen werden." Die Qualität der medizinischen Behandlung entscheide künftig auch über die Krankenhausplanung und darüber, welches Krankenhaus welche Behandlungen anbieten dürfe. "Wenn Kliniken bestimmte Qualitätsanforderungen nicht erfüllen, muss die zuständige Landesbehörde sie notfalls schließen."

Das Aus für kleine Kliniken? Hecken stellt klar: "Natürlich brauchen wir auch kleine Krankenhäuser. Das darf aber nicht dazu führen, dass alle Kliniken alles machen, mit der Folge, dass aufgrund der geringen Zahl von Fällen die Qualität nicht stimmt." Daher sollten sich die Krankenhausträger absprechen, welche Kliniken sich auf bestimmte Behandlungen spezialisiert. "Die gesicherte Behandlungsqualität ist auch wichtig im Hinblick auf die immer älter werdenden Patienten mit oft mehreren Krankheiten. Schließlich ist es heute doch keine Seltenheit mehr, einem mehrfach erkrankten 80-Jährigen eine neue Hüfte zu implantieren. Aber das erfordert auch eine entsprechende Erfahrung der jeweiligen Klinik im Umgang mit solchen Patienten."

Welche Qualitätsvorgaben gibt es? Es gebe eine Vielzahl von Richtlinien und seit Ende 2016 auch Qualitätsindikatoren, die für die Krankenhausplanung relevant sind, und etwa für gynäkologische Operationen, Geburtshilfe und Brustchirurgie, sagt Hecken. "Jedes Krankenhaus, das diese Leistungen anbietet, muss die geltenden Anforderungen erfüllen. Das bedeutet auch, dass sich Kliniken künftig mehr spezialisieren müssen. Bestimmte Spezialbehandlungen, wie etwa auch Herzklappen-Operationen per Katheter, sollten nicht an jedem Krankenhaus erfolgen. Spezialkliniken führen solche Eingriffe häufiger durch und sind deshalb auch auf Komplikationen vorbereitet, was kleinere Häuser zumeist nicht sind."

Zu wenig Qualität? "Wir haben in Deutschland insgesamt eine hohe medizinische Qualität. Durch den medizinischen Fortschritt werden aber manche Behandlungen immer komplexer. Hinzu kommt, dass immer mehr ältere und damit auch kränkere Patienten behandelt werden müssen. Das macht es zwingend erforderlich nachzuprüfen und sicherzustellen, dass bei der medizinischen Versorgung die erforderlichen Qualitätskriterien eingehalten werden. Wir reden hier vor allem von sehr komplexen Eingriffen bei schweren Erkrankungen", sagt Hecken.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort