Sind nicht alle Mütter gleich?

Trier · Eine 85-jährige Frau sieht einen Verstoß gegen das Grundgesetz, aber das Trierer Sozialgericht entscheidet es so: Die unterschiedliche Anerkennung der Kindererziehungszeiten für die Rente von Müttern ist verfassungsgemäß.

Trier. Rose-Dore Rollinger fühlt sich benachteiligt. Und zwar wegen ihres Alters. Und das widerspricht dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Darin steht, dass Benachteiligungen unter anderem wegen des Alters beseitigt und verhindert werden müssen. Die seit 1992 geltende Stichtagsregelung bei der Altersvorsorge von Müttern diskriminiere aber ältere, argumentiert die 85-Jährige, die seit Juni 1990 in Rente ist. Wer wie sie vor 1992 Kinder bekommen hat, erhält nämlich bei der Rente nur ein Jahr Kindererziehungszeit. Ihr Ehemann, Alfred Rollinger, sieht darin sogar einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot im Grundgesetz. Daher sieht der ehemalige Vizepräsident des Trierer Sozialgerichts die Regelung als verfassungswidrig an. Der 86-Jährige ist entschlossen, bis zum Bundesverfassungsgericht oder zum Europäischen Gerichtshof zu klagen. Er hat nicht für seine Frau, sondern für zehn weitere ältere Mütter die Klage gegen die Rentenversicherung verfasst. Diese hatte den Antrag auf eine höhere Rente gestellt, in der drei statt jeweils ein Jahr Erziehungszeit für die fünf Kinder, die zwischen 49 und 57 Jahre alt sind, angerechnet werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem ähnlichen Verfahren bereits entschieden: "Angesichts der weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die es ihm insbesondere erlaubt, die Reform der Kindererziehungszeiten in mehreren Stufen zu verwirklichen, hat das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus das Vorliegen einer gegen das Grundgesetz verstoßenden Ungleichbehandlung der Tatbestände der Kindererziehung in der Zeit vor und nach dem Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes 1992 am 1. Januar 1992 verneint." Unter anderem auf diese Entscheidung stützt sich auch das aktuelle Urteil des Trierer Sozialgerichts. Es gebe keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung, heißt es in der Begründung der Richter. Die Rentenversicherung sei nicht verpflichtet, der Klägerin eine höhere Rente zu zahlen, sie habe sich an die gesetzlichen Vorgaben gehalten. "Nur für die ab 1. Januar 1992 geborenen Kinder sieht das Gesetz die Berücksichtigung von drei Jahren Kindererziehungszeit je Kind vor." So erläutert der Sprecher des Trierer Sozialgerichts, Jürgen Olk, die bisherige Rechtsprechung. Alfred Rollinger ist enttäuscht von seinen ehemaligen Kollegen. Zumal das Urteil ohne Anhörung seiner Frau gefällt worden ist - und allein durch Beschluss nach Aktenlage. Das Gericht kann, so Olk, ohne mündliche Verhandlung entscheiden, "wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist".
Unabhängig von der Trierer Entscheidung wird derzeit auch in der Bundesregierung über eine stärkere Anerkennung der Kindererziehungszeiten für Frauen in der Rentenversicherung debattiert. Die Frauen in CSU und CDU verlangten die Änderung und verknüpften damit ihre Zustimmung zu dem vor allem von der CSU geforderten Betreuungsgeld für Mütter, die ihre Kinder zu Hause und nicht in der Kita betreuen lassen.
Doch weder das Betreuungsgeld noch die Änderung der Mütter-Rente scheint in trockenen Tüchern zu sein. Kein Wunder: Die Rentenerhöhung für ältere Mütter würde Milliarden Euro kosten.

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