Sklaven, Stigmen und das horizontale Dasein

TRIER. In Deutschland legalisiert, in den Niederlanden liberalisiert und in Schweden strikt verboten - die Prostitution. Auf einer Studientagung in der katholischen Akademie in Trier haben Experten darüber diskutiert, ob Prostitution ein anerkannter Beruf ist und ob das deutsche Prostitutionsgesetz hilft, Menschenhandel zu bekämpfen.

"Und was machen Sie beruflich?" "Ich bin Sex-Arbeiterin." "Ach schön. Ich arbeite als Krankenschwester." - Einen solchen Small-Talk wird es vermutlich nie geben. Trotz der Gesetzesnovelle, die seit knapp zwei Jahren Prostitution in Deutschland legalisiert und die versucht, Prostituierte sozial und rechtlich besser zu stellen (siehe Hintergrund), ist der Beruf der Prostituierten immer noch stigmatisiert. Es ist eben kein Job wie jeder andere - und das, obwohl es sich bei dieser Tätigkeit um das "älteste Gewerbe der Welt" handelt. Bei der Tagung in Trier prallten sehr unterschiedliche Ansichten zum Thema Prostitution aufeinander. Eine glühende Verfechterin der Abschaffung von Prostitution ist die katholische Ordensschwester Lea Ackermann. Für sie ist das Geschäft mit der käuflichen Liebe "eine moderne Form der Sklaverei". Um Frauen Wege aus der Prostitution zu eröffnen, hat die Schwester aus Boppard 1985 die Organisation Solwodi (Solidarity with women in distress/Solidarität mit Frauen in Not) gegründet. Ihre These: "Ohne Prostitution gebe auch keine Zwangsprostitution" und somit auch keinen Menschenhandel. Christiane Howe, Soziologin und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung (agisra) in Frankfurt, vertritt einen völlig anderen Standpunkt. Zwar verurteilt auch sie Zwangsprostitution ("da wird der Kunde zum Täter"), doch freiwillige Prostitution sieht sie als Dienstleistung. "Bei einer Prostituierten können Männer ihre sexuellen Fantasien auf ungefährliche Weise ausleben." Wäre Prostitution verboten, käme es eventuell zu mehr sexuellen Übergriffen. Gegen Aussagen von Lea Ackermann wie "in der Prostitution wird die Frau zur Ware degradiert", wehrt sich Howe. "Wenn die Frau diesen Beruf freiwillig macht, dann hat sie das Sagen. Dann kann sie dem Freier sagen, wo es lang geht." "Auch wenn man Prostitution verbietet, wird es dieses Gewerbe immer weiter geben. Nur dann wird es schwer, etwas gegen die Kriminalität und den Menschenhandel in diesem Milieu zu machen", sagt ein Besucher der Veranstaltung. Hat das Prostitutionsgesetz den Huren in Deutschland geholfen? Viele haben "ihr Geschäft" nicht angemeldet und sind damit weiterhin nicht versichert. Allerdings sind schätzungsweise 60 Prozent der Prostituierten in Deutschland gar nicht erst von diesem Gesetz betroffen. Denn über die Hälfte der Prostituierten in Deutschland sind Migrantinnen, die vom Gesetz her nicht in Deutschland arbeiten dürfen. Sie versinken in der Illegalität und können nicht vor Übergriffen geschützt werden. Beispiel: Eine Polin wird als Erntehelferin oder Kellnerin angeworben, landet aber im Bordell - und hat dann kaum noch eine Chance, wieder auszusteigen. Viele Teilnehmer der Tagung - in der Mehrzahl Polizisten - sind skeptisch, ob legalisierte Prostitution hilfreich ist, Menschenhandel zu bekämpfen. Ein weiteres Problem sehen viele Polizisten in der bevorstehenden EU-Ost-Erweiterung. "Dadurch wird es vermutlich noch viel schlimmer", lautet das einhellige Urteil. "Prostitution ist ein Angriff auf die Würde der Frau", gibt Schwester Lea zu bedenken. "Daher muss man Wege finden, wie man den Markt reduzieren kann."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort