Politik SPD-Krise: Malu Dreyer tadelt alten Führungsstil und schaut nach vorne

Mainz/Trier · Malu Dreyer will Mitglieder stärker einbinden, um der SPD Schwung zu verleihen. Die Basis nahm das Votum zur großen Koalition gut an, zeigt eine Umfrage des Landesverbandes.

 Sie setzen auf die Mitglieder: SPD-Landesgeneralsekretär Daniel Stich (links), Roger Lewentz und Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

Sie setzen auf die Mitglieder: SPD-Landesgeneralsekretär Daniel Stich (links), Roger Lewentz und Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

Foto: Florian Schlecht

Malu Dreyer ist eine Freundin des diplomatischen Wortes, die verbale Keule lässt die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin gerne stecken. Äußert sie Kritik, versteckt sie diese meist zwischen den Zeilen. Und doch findet die Triererin am Dienstag in Mainz klare Worte, als es um die Analyse des Bundestagswahlkampfs 2017 geht, den die SPD im Willy-Brandt-Haus einen Tag zuvor offengelegt hat.

Was unabhängige Beobachter den Genossen mit auf den Weg gaben, war nämlich die ganz große Keule. Die Kritik: Keine Kampagne, kein Vertrauen, keine Wähleransprache, fehlendes Vertrauensverhältnis von Sigmar Gabriel zu Führungsgremien, mangelnder Respekt von Martin Schulz vor der Herausforderung der Kanzlerkandidatur.

In einem Wort: Uff!

Ein Urteil, das Dreyer dazu verleitet, ein „kollektives Organisationsversagen über viele, viele Jahre“ bei der Bundes-SPD zuzugeben. Und auch die alten Parteichefs tadelt sie, wenn auch ausweichend. Als ein Journalist fragt, ob sie die scharfe Kritik an Gabriel und Schulz auch in ihrer persönlichen Haltung teile, antwortet Dreyer kurz und knapp: „Die SPD braucht mit der neuen Spitze eine andere Art der Führung.“

Geht es um eine Kehrtwende bei der Bundes-SPD, die in manchen Umfragen derzeit bei 16 Prozent dümpelt, warnt Dreyer vor zu hohen Erwartungen. Sie rechnet damit, dass die Genossen einen langen Atem brauchen,  um nach der Niederlage bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr wieder Schwung aufzunehmen. Die Bundes-Vize – oft als Hoffnungsträgerin für den Neuaufbau genannt – setzt erst einmal auf Arbeit, Vertrauen und Gespräche. Die Triererin fordert von den Genossen, in der großen Koalition vernünftig zu regieren und die Partei ebenso vernünfig zu führen.

Sie spricht sich ebenso dafür aus, die Basis stärker bei Entscheidungen einzubinden. Wie beim SPD-Mitgliederbeschluss zur großen Koalition, der im Frühjahr bundesweit wochenlanges Rätselraten mit sich brachte, ob es überhaupt zur Regierungsbildung in der Hauptstadt kommt. Manchen CDU-Politiker brachte die lange Wartezeit auf die Palme. Die Bild-Zeitung scherzte auf SPD-Kosten, als sie einen Hund in die Liste der Abstimmungsberechtigten schmuggelte.

Bei der Basis der Genossen kam das Mitgliedervotum wiederum gut an, wie nun eine Umfrage der rheinland-pfälzischen SPD zeigt, die als erster Landesverband bundesweit eigene Mitglieder befragte. Die große Mehrheit (83 Prozent) befürwortete, dass es zu dem Votum kam, stellt Landesgeneralsekretär Daniel Stich heraus. Und auch, wenn ein gutes Drittel der Mitglieder mit dem Ergebnis für die große Koalition unzufrieden war, zeigten sich drei von vier Gegnern des Bündnisses mit der Union (75,4 Prozent) zufrieden mit der Möglichkeit des Votums.

Dreyer sieht die SPD in ihrem Weg bestärkt, auch wenn der Weg dauerte. „Man kann nicht heute davon reden, Demokratie stärken zu wollen und sich morgen beschweren, wenn das zu lange dauert“, sagt sie. Ginge es 2021 erneut um die Frage, ob die SPD im Bund in eine Koalition eintritt, steht für den rheinland-pfälzischen Landeschef Roger Lewentz fest: „Ich wäre für ein erneutes Votum.“ Allein das reicht aber nicht, um die SPD auf Kurs zu bringen. Auch inhaltlich müssen die Genossen nachlegen, weiß Lewentz: „Wenn man ehrlich ist, fehlt uns die Antwort für die Zukunft“, sagt er. „Bei 16 Prozent über die Kanzlerkandidatur zu reden, wird nicht einfach sein.“

 Wohin des Weges, SPD? Eine Umfrage des rheinland-pfälzischen Landesverbandes zeigt immerhin, dass die Mitglieder es honorieren, befragt zu werden.

Wohin des Weges, SPD? Eine Umfrage des rheinland-pfälzischen Landesverbandes zeigt immerhin, dass die Mitglieder es honorieren, befragt zu werden.

Foto: dpa/Fredrik von Erichsen

Wohler ums Herz wird es Lewentz beim Blick nach Rheinland-Pfalz, wo die SPD in Umfragen führt. Dem Zufall will der Innenminister aber nichts überlassen, wie er in Mainz ankündigt: „Wir bereiten schon in diesem Jahr den Wahlkampf für die Landtagswahl 2021 vor.“

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