SPD-Parteitag: Zugpferd Beck, Wahlschlager Bildung

Mainz · Der seit 17 Jahren regierende Ministerpräsident Kurt Beck als Zugpferd, die Bildung als Wahlkampfschlager: Die Sozialdemokraten im Land sehen sich für die anstehende Landtagswahl bestens gerüstet.

 Ministerpräsident und SPD-Spitzenkandidat Kurt Beck.

Ministerpräsident und SPD-Spitzenkandidat Kurt Beck.

Foto: dpa

Seit gefühlten ewigen Zeiten prägt ein bärtiger Pfälzer die Politik in Rheinland-Pfalz. Wer den 61-jährigen Kurt Beck erlebt, wie er beim außerordentlichen Parteitag der SPD für deren Politik wirbt und der Konkurrenz verbale Hiebe verpasst, der gewinnt nicht den Eindruck, als sei der Ministerpräsident amtsmüde. Sehr zur Freude der 387 Delegierten, die ihm nach seiner eineinhalbstündigen engagierten und kämpferischen Rede minutenlang applaudieren, strebt Kurt Beck eine fünfte Amtszeit an.

Was die SPD im Wahlkampf außer Beck zu bieten hat, lässt sich so beschreiben: Bildung, Bildung, Bildung. 2001 war es die flächendeckende Einführung der Ganztagsschulen, 2006 waren es gebührenfreie Kindergärten, die der SPD zur Macht verhalfen. 2011 sollen kostenlose Schulbusse und kleinere Schulklassen das Weiterregieren ermöglichen.

Dahinter steht das Leitmotiv, durch kostenlose Angebote vom Kindergarten bis zur Hochschule Chancengleichheit zu garantieren, um den Menschen beim Verwirklichen ihrer Lebensziele zu helfen und der Wirtschaft die dringend benötigten Fachkräfte zu verschaffen.

Kurt Beck räumt in seiner Rede ein, es seien in dieser Wahlperiode Fehler gemacht worden, das werde in Ordnung gebracht. Um sogleich zu relativieren, bei der SPD habe niemand Geld in die eigene Tasche oder in die der Partei gesteckt – im Gegensatz zur CDU. „Wir lassen nicht zu, dass unsere Arbeit skandalisiert wird!“, donnert der Spitzenkandidat den Delegierten entgegen.
Apropos politische Konkurrenz: Wäre die CDU vor fünf Jahren an die Macht gekommen, „hätten wir heute einen Ministerpräsidenten Christoph Böhr, von dem sich die Partei in unglaublich schroffer Weise distanziert hat, einen Finanzminister Herbert Jullien und einen Wirtschaftsminister Michael Billen“, höhnt Beck. Alle drei hatten oder haben Ärger mit der Justiz. „Was wollen uns diese Leute für Vorwürfe machen?“ Auch CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner bekommt ihr Fett ab. Genüsslich zitiert Beck unter Gelächter der Delegierten einen ellenlangen Klöckner-Satz aus einem Interview – „wer den versteht, dem gebe ich einen aus“.

Mit den Grünen geht der SPD-Landesvorsitzende vorsichtiger um. Sie hätten bislang nicht beweisen können, was sie können, sagt er nur. Grünen-Pressesprecherin Silke Dietz wertet dies als Beobachterin im Saal durchaus als Geste an einen potenziellen Koalitionspartner nach der Wahl, worauf die Umfragen hindeuten.
Mit der FDP als einstigem Regierungspartner geht Parteichef Beck schärfer ins Gericht. „Wer den Mund zu voll nimmt, wird irgendwann bestraft“, sagt er unter Anspielung auf die Steuerversprechen der Liberalen, „die von Anfang an nicht umsetzbar waren“.

Zurück zur SPD: Zehn Kapitel umfasst das Wahlprogramm, das einstimmig beschlossen wird. Es beinhaltet neben der Bildung das Thema Wirtschaft inklusive der Konversion, die von der SPD als zwanzigjährige Erfolgsgeschichte begriffen wird und so fortgeschrieben werden soll.

Die Sozialdemokraten wollen nach eigenem Bekunden „für gute Arbeit stehen“, sprich gerechte Löhne, für das Fördern der erneuerbaren Energien, einen flächendeckenden Ausbau der schnellen Internetzugänge, ein entschlossenes Handeln gegen Extremismus, solide (Kommunal-)Finanzen und einen konsequenten Schuldenabbau sowie für ein gutes Leben im Alter mit der Integration vor Ort und einer guten Gesundheitsversorgung auch im ländlichen Raum. Dabei pochen sie auf ein eingespieltes Team von gestandenen Ministern um Kurt Beck.

Ein besonderes Anliegen der SPD sind erweiterte Modelle der Bürgerbeteiligung bei Großprojekten. Die Menschen im Land sollen in allen Phasen des Planungs- und Entscheidungsprozesses einbezogen werden.

Während der außerordentliche SPD-Parteitag in auffallend guter und harmonischer Stimmung verläuft, verschießt CDU-Generalsekretär Josef Rosenbauer kurz nach dessen Ende Giftpfeile. Wenn Beck von „kleinen Fehlern“ rede, sei damit etwa der Nürburgring gemeint, der den Steuerzahler 350 Millionen Euro koste.

Am schlimmsten sei, „dass Beck nicht die Spur der Verantwortung für einen ohnmächtig machenden Schuldenberg übernimmt“. Stattdessen schiebe der Parteichef „die miese Haushaltslage auf die Kosten der Deutschen Einheit und die Aufgabenverteilung durch den Bund“.

Extra

Stimmen zum Parteitag

Ingeborg Sahler-Fesel, SPD-Landtagsabgeordnete, Schweich: „Wenn wir auf Bildung für alle setzen, kostet das zwar einiges, verhindert aber spätere Kosten, unter anderem für Sozialhilfe.“

Astrid Schmitt, SPD-Landtagsabgeordnete, Daun: „Sozial gerechte Bildungspolitik ist das größte Pfund, mit dem wir wuchern können. Was wir jetzt draufsatteln, ist eine richtige Kraftanstrengung.“

Monika Fink, SPD-Landtagsabgeordnete, Bitburg: „Schülerbeförderung ist im Eifelkreis Bitburg-Prüm ein ganz wichtiges Thema. Dass das Land die Kosten im Falle eines SPD-Wahlsieges übernimmt, ist sowohl für den Kreishaushalt als auch für die Geldbörse der Eltern gut. Wir haben auch sehr viele kleine Grundschulen, die heute ein Stückchen Bestandsgarantie bekommen haben.“

Katharina Barley, SPD-Kreisvorsitzende Trier-Saarburg: „Die Bildungspolitik in Rheinland-Pfalz ist wirklich außergewöhnlich. Vieles wird leider schon als selbstverständlich angesehen, aber es ist eine sehr große Leistung. Ich finde es gut und richtig, dass das Geld in diesem Sektor investiert wird.“

Silke Dietz, Pressesprecherin der rheinland-pfälzischen Grünen: „Die Rede von Kurt Beck war für uns recht freundlich. Beim Thema Hochmoselübergang liegen wir deutlich auseinander.“ (fcg)

Meinung

Licht und Schatten

Von Frank Giarra

Die Botschaft von Kurt Beck und den Sozialdemokraten für die Landtagswahl lautet: Weiter mit uns, wir haben ein bisschen falsch, aber das Meiste richtig gemacht. Die Bildungspolitik ist die größte Stärke der SPD. Hier muss man ihr durchdachte und konsequente Aktivitäten bescheinigen, die sie mit dem neuen „Bonbon“ kleinerer Klassen und kostenloser Schulbusse fortführen will. In diesen Bereich fließt sehr viel Geld, das dort bestens angelegt ist. Zudem ist die SPD personell gut aufgestellt und zeigt sich geschlossen. Auf der anderen Seite ist das liebe Geld ein großes Problem der Partei. Missglückte Projekte wie der Nürburgring oder das Schlosshotel Bad Bergzabern und erst recht der marode Landeshaushalt zeugen nicht davon, dass sie besonders gut mit den ihr anvertrauten Steuermitteln umgehen kann. Sollte sie an der Macht bleiben, dann wohl in erster Linie aufgrund der Schwäche der Konkurrenz. Auf jeden Fall werden die Sozialdemokraten lernen müssen, erheblich mehr Sparwillen zu dokumentieren und sorgsamer zu haushalten. f.giarra@volksfreund.de

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