Staatsanwalt auf der "Anklagebank"

TRIER. Weil sie Drogenkuriere angeworben und den Transport von mehreren hundert Kilogramm Haschisch organisiert haben sollen, müssen sich derzeit zwei 39 und 42 Jahre alte Männer vor dem Trierer Landgericht verantworten. Den Verhandlungstag gestern nutzten die Verteidiger zu einem Frontalangriff auf den Staatsanwalt.

Kein guter Tag für den Trierer Anklagevertreter Wolfgang Bohnen: Im Prozess gegen zwei mutmaßliche Rauschgifthändler aus Erfurt und den Niederlanden sah sich der Staatsanwalt am Mittwoch einem massiven verbalen Bombardement der Verteidiger ausgesetzt. Streckenweise konnte gar der Eindruck entstehen, Bohnen und nicht die beiden vermeintlichen Dealer säßen auf der Anklagebank. Vor allem Norbert Hack, aus der Nähe von Aachen stammender Verteidiger des Niederländers, attackierte den Trierer Staatsanwalt massiv, warf ihm Befangenheit vor und forderte seine Ablösung - ein ungewöhnlicher Antrag im Justizalltag. Bohnen selbst war zwischendrin derart konsterniert, dass dem sonst Redegewandten plötzlich die Worte fehlten und er anfing zu radebrechen - auch nicht alltäglich. Die beiden Angeklagten sollen Mitglieder eines international agierenden 13-köpfigen Drogenhändlerrings gewesen sein, der jahrelang Kunden in ganz Europa (darunter auch Mitglieder des ehemaligen Motorradclubs Hell's Angels Trier) mit Haschisch versorgt haben soll. Einige Bandenmitglieder wurden bereits zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt."Missliebig, weil engagiert"

Spektakulär lief im vorigen Jahr die Festnahme des jetzt mit auf der Anklagebank sitzenden Niederländers ab. Der 42-Jährige war zur Beerdigung eines gestorbenen Freundes in Belgien, als ihn auf dem Friedhof ein Sondereinsatzkommando der Polizei schnappte. Sechs Wochen später wurde er an Deutschland ausgeliefert. Das war einer der Punkte, die Verteidiger Norbert Hack dem Trierer Staatsanwalt ankreidet. Bohnen habe zu "einer List gegriffen", statt bei den niederländischen Behörden ein so genanntes Auslieferungsersuchen mit Rückführungsrecht zu stellen. Nach Angaben des Anwalts wäre sein Mandant dann nach Deutschland ausgeliefert, in Trier verurteilt und schließlich zurück an die Niederlande überstellt worden. Die niederländischen Richter hätten dann das (deutsche) Strafmaß überprüft und entsprechend der dort üblichen Rechtssprechung verändert. Heißt: deutlich gesenkt. Daneben soll der Trierer Staatsanwalt auch noch einen Kronzeugen "mit Annehmlichkeiten und Wohltaten" bedacht haben, "von denen andere Untersuchungshäftlinge in Deutschland nur träumen" könnten. Wolfgang Bohnen selbst wies die Vorwürfe zurück. Sie seien nicht belegt, Manipulationen haben es keine gegeben. Bis Freitag soll sich der Trierer Staatsanwalt jetzt schriftlich zu dem Befangenheitsantrag äußern. Rückendeckung bekommt Bohnen indes von seinem Chef, Triers Leitendem Oberstaatsanwalt Horst Roos. Für die Ablösung Bohnens gebe es "nicht den geringsten Grund", sagte Roos unserer Zeitung. "Hier soll ein missliebiger, weil engagierter Staatsanwalt ausgeschlossen werden", vermutet Roos. Dies werde den Verteidigern aber nicht gelingen. Dass einer der Beschuldigten in Belgien verhaftet wurde, ist nach Meinung des Leitenden Oberstaatsanwalts nicht zu beanstanden. Dem angeklagten Niederländer würden schwerste Straftaten vorgworfen. "Wir haben die Pflicht, ihn festnehmen zu lassen", sagt Roos. Der von massiven Sicherheitsvorkehrungen begleitete Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

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