Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Ex-CDU-Landeschef Böhr

Mainz · Die frühere Parteispendenaffäre der CDU Rheinland-Pfalz hat ein juristisches Nachspiel. Die Mainzer Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen den früheren rheinland-pfälzischen CDU-Chef Christoph Böhr wegen Untreue erhoben. Außerdem klagt sie laut Mitteilung vom Mittwoch den früheren Fraktionsgeschäftsführer, den Ex-Generalsekretär und den ehemaligen Geschäftsführer einer Beratungsagentur an.

(dpa/lrs) Die Ermittlungsbehörde klagt außerdem zwei weitere Ex-Funktionsträger der CDU und den früheren Hamburger Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) als ehemaligen Chef einer Beratungsfirma an. Es geht um den Vorwurf illegaler Parteienfinanzierung im Landtagswahlkampf 2006 in sechsstelliger Höhe. Die Partei zahlte Ende 2010 wegen der Affäre bereits 1,2 Millionen Euro Strafe an den Bundestag. Mitangeklagt sind der frühere Fraktionsgeschäftsführer Markus Hebgen und Ex-CDU-Generalsekretär Claudius Schlumberger. Böhr hatte bei der Wahl 2006 das bis dahin schlechteste Ergebnis der rheinland-pfälzischen CDU erzielt und war danach als Partei- und Fraktionschef zurückgetreten. 2009 zog sich der 58-Jährige aus der Politik zurück. Die CDU ist derzeit einzige Oppositionspartei im Landtag. Die Staatsanwaltschaft legt Ex-Fraktionschef Böhr und Hebgen gemeinschaftliche Untreue zum Nachteil der Fraktion in neun Fällen zur Last, Friggen Beihilfe hierzu in sieben Fällen. Außerdem wirft sie Böhr als damaligem Landeschef und Schlumberger Untreue zu Lasten der Landespartei sowie ein Vergehen nach dem Parteiengesetz vor und - gemeinsam mit Frigge - versuchten Betrug. Für Wahlkampfberatung zur Landtagswahl 2006 waren laut Staatsanwaltschaft rund 386 000 Euro an Fraktionsgeld für Beratung geflossen. Involviert war Frigges Düsseldorfer Unternehmensberatung C4. Der überwiegende Teil sei unberechtigt aus Mitteln der CDU-Landtagsfraktion bezahlt worden, erklärte die Staatsanwaltschaft. Böhr und Frigge hatten die Vorwürfe schon früher zurückgewiesen.
Mitteilung der Staatsanwaltschaft Mainz
Kurzporträt


Christoph Böhr: Tragische Figur der rheinland-pfälzischen CDU Trier/Mainz (dpa/red) - Christoph Böhr ist in der rheinland-pfälzischen CDU eine tragische Figur. Obwohl der 58 Jährige sich gegen viele Widerstände immer wieder nach vorne kämpfte, erlitt er gleich zweimal bittere Wahlniederlagen gegen Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) - zuletzt 2006. Noch am Wahlabend des 26. März vor sechs Jahren stellte Böhr wenige Minuten nach der ersten Hochrechnung seine Ämter als Landes- und Fraktionsvorsitzender zur Verfügung. Kritische Stimmen - auch aus den eigenen Reihen - hatten ihm vorgeworfen, zu intellektuell, zu „kopflastig“ und damit volksfern zu sein. Der in Mayen bei Koblenz geborene Böhr hat Politikwissenschaft, Germanistik, Philosophie und Neuere Geschichte studiert. Zwischen 1983 und 1989 war er Bundesvorsitzender der Jungen Union. Er kam 1987 in den rheinland-pfälzischen Landtag. 1997 übernahm er den Vorsitz der Landespartei.
Von 1988 bis 2000 war Böhr Vorsitzender der CDU Trier, von 1988 bis 2003 führte er die CDU-Fraktion im Trierer Stadtrat. Auf dem Bundesparkett blieb Böhrs Profil lange Jahre eher blass - erst mit der Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden im November 2002 bekam seine Stimme etwa mehr Gewicht. Dieses Amt hatte er bis 2006 inne. Ende Februar 2009 legte Böhr sein Landtagsmandat in Mainz nieder. Seitdem war es auf der politischen Bühne still um ihn geworden. Böhr übernahm 2010 nach Angaben der Hochschule Benedikt XIV. Heiligenkreuz in Wien dort eine Gastdozentur für Philosophische Gegenwartsfragen. Als Autor oder Herausgeber hat er zahlreiche Bücher veröffentlicht, darunter die Reihe „Das Bild vom Menschen und die Ordnung der Gesellschaft“.

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