Streit um Heime

TRIER. Erschreckende Zustände in Altenheimen – unsere Berichterstattung zu diesem Thema hat erwartungsgemäß heftige Reaktionen ausgelöst. Neben zahlreichen Leserbriefen, die der TV abdrucken wird, haben sich auch Leser per Telefon zu Wort gemeldet und sehr unterschiedliche Meinungen geäußert.

Verwahrloste und durstende Menschen, für die das Personal kein freundliches Wort übrig hat: Buch-Autor Markus Breitscheidel hatte im TV-Interview ein erschreckendes Bild von Zuständen in deutschen Seniorenheimen gezeichnet. Er betonte zwar, dass es auch gute Häuser gibt - doch den Eindruck, die er wiedergibt, wollen Verantwortliche in den Heimen so nicht stehen lassen. Hubert Heck zum Beispiel, Leiter im "Seniorenhaus Berghof" in Neuerburg (Kreis Bitburg-Prüm), rief beim TV an und klagte, Breitscheidel erwecke den Eindruck, Missstände seien an der Tagesordnung. "In den allermeisten Heimen ist das aber nicht so!" Besonders ärgerte sich Heck über das Vorgehen des Autors, der als Altenpflegehelfer in Heimen angeheuert hatte: "Wenn die Zustände wirklich so waren, wie er sie beschreibt - warum ging er dann nicht gleich zur Heimleitung, sondern veröffentlicht Jahre später ein Buch darüber?" Zumindest, was die wirtschaftliche Seite angeht, habe Breitscheidel schlecht recherchiert, sagt Heck. Zweifel an horrenden Gewinnen

Große Gewinne fielen allenfalls in Residenzen an, in denen die Bewohner ihren Aufenthalt selbst zahlten. Häuser, die nach den vorgegebenen Pflegesätzen abrechneten, erwirtschafteten keine horrenden Gewinne. Breitscheidel hatte das Prinzip der Gewinnmaximierung für die von ihm beschriebenen Zustände mit verantwortlich gemacht. Doch es gab auch die anderen Anrufer in der TV-Redaktion, die, die Breitscheidel den Rücken stärken. "Die Zustände sind genauso, wie er sie beschreibt", behauptet etwa Marlies Herschbach aus Daufenbach (Kreis Trier-Saarburg). Sie hat im August 2005 ein zweiwöchiges Praktikum in einem Altenheim in der Region gemacht - und ist immer noch entsetzt. Darüber, dass Senioren ohne Vorwarnung aus dem Bett geholt und im Handumdrehen unter die Dusche gesetzt worden seien. "Eine Frau hat vor Schreck geschrien." Darüber, dass man Leute, die nicht essen wollten, dazu gezwungen habe - "und wenn es zu den Ohren herausgekommen wäre". Darüber, dass Bewohner um Zuwendung förmlich gebettelt hätten. Und darüber, dass im Medikamentenschrank Tropfen standen, über die es geheißen habe: "Wenn jemand zur Kontrolle kommt, müssen die verschwinden." Das Praktikum, das Herschbach im Rahmen einer Schwesternhelferinnen-Ausbildung absolvieren musste, sei eine schlimme Zeit gewesen. "Es war so entwürdigend für die Menschen." Heute betreut sie Senioren zu Hause - und überlegt, wie sie sich für mehr Menschlichkeit in Heimen engagieren kann: "Da muss etwas in Bewegung geraten." Heimleiter Heck sieht beim Thema Altenpflege die gesamte Gesellschaft in der Pflicht. "Wer sein Auto für ein paar Stunden in die Werkstatt bringt, zahlt ohne Murren mehrere hundert Euro. Wenn es in Seniorenheimen für deutlich weniger Geld eine 24-Stunden-Betreuung gibt, wird geklagt. Die Gesellschaft muss sich fragen, was ihr Pflege wert ist!"

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