Vor 20 Jahren bebte die CDU im Land

Vor 20 Jahren veränderte der jähe Sturz des CDU-Landesvorsitzenden Bernhard Vogel beim Koblenzer Parteitag die politische Landschaft im Land. Der Regierungschef stürmte mit dem Ausruf "Gott schütze Rheinland-Pfalz" aus dem Saal und dem Amt. Die angeschlagene CDU verlor bei starkem bundespolitischen Gegenwind 1991 die gewohnte Regierungsmacht. Hier eine Schilderung, wie die Lage eskalierte und wie das Ereignis bis heute nachwirkt.

 „Gott schütze Rheinland-Pfalz“: Heute ist es genau 20 Jahre her, dass Bernhard Vogel in Koblenz von der eigenen Partei gestürzt wurde. Nach der Abstimmungsniederlage tröstet Familienministerin Ursula Hansen den fassungslosen Ministerpräsidenten. Foto: dpa

„Gott schütze Rheinland-Pfalz“: Heute ist es genau 20 Jahre her, dass Bernhard Vogel in Koblenz von der eigenen Partei gestürzt wurde. Nach der Abstimmungsniederlage tröstet Familienministerin Ursula Hansen den fassungslosen Ministerpräsidenten. Foto: dpa

Koblenz/Trier/Mainz. Kein Parteitag hat die Landes-CDU so nachhaltig verändert wie der vom 11. November 1988 in Koblenz. Der Streit zwischen CDU-Landeschef Bernhard Vogel und seinem Widersacher, Umweltminister Hans-Otto Wilhelm, eskalierte an diesem Abend. Doch Unmut schwelte schon lange.

Den klassischen Generationskonflikt hatte die Partei 20 Jahre zuvor erlebt: In den 60er Jahren drängte der junge Fraktionschef Helmut Kohl machtvoll in die Ämter von Peter Altmeier (Jahrgang 1899), der Rheinland-Pfalz 22 Jahre regierte. Kohl agierte nicht mit Glacéhandschuhen: Er rückte vor dem erzwungenen Rücktritt von Altmeier seinen Schreibtisch in dessen Amtszimmer und bugsierte als Vertraute Vogel und Heiner Geißler ins Kabinett.

1988 sorgte nicht Vogels Alter (55), sondern die alte Parteistruktur für Verdruss. Die jahrzehntelang von Wahlerfolgen verwöhnte CDU war 1987 in den Ausnahmezustand gerutscht, als Vogel bei der Landtagswahl die absolute Mehrheit und die Partei Pfründe verlor. Damit geriet der seit 1976 regierende Pfälzer schärfer ins Schussfeld.

In der an satte Alleinherrschaft gewöhnten Partei CDU rumorte die Kritik, dass FDP-Landeschef Rainer Brüderle Vogel viel zu ungeniert große Zugeständnisse in den Koalitionsverhandlungen habe abringen können. Die der CDU abgetrotzte Urwahl ließ Amtsträger in Kommunen zudem plötzlich Unbequemlichkeiten fürchten.

Der Warnschuss von Bad Dürkheim



Zum ersten Eklat kam es beim Bad Dürkheimer Parteitag im Juli 1988: Die Basis warf Vogel Selbstherrlichkeit vor, kippte die Tagesordnung, wollte über den Zustand der Partei reden, nicht nur "regiert" werden. Bei diesem Warnschuss lautete Vogels Lektion: Sein Vertrauter Georg Gölter, wie er Pfälzer, soll Generalssekretär und Brückenbauer werden. Als dagegen schnell und vor allem im Norden Unmut laut wurde, witterte Umweltminister Hans-Otto Wilhelm (Mainz) im Oktober seine Chance: Er forderte die Trennung von Regierungs- und Parteiamt, um die "verkrustete" CDU "aus der Macht heraus zu erneuern". Alle Versuche, den offenen Krach zu verhindern, scheiterten. Vogel wollte die Entscheidung in einer Kampfkandidatur. Er fühlte sich auch sicher: Er war der Favorit von CDU-Boss Helmut Kohl und als Regierungschef äußerst beliebt. Gleichwohl drohte er: Bei der Abwahl als Parteichef werde er als Ministerpräsident zurücktreten. Wilhelm und Anhänger im Norden empfanden dies als Erpressung, ohne zu ahnen, dass Vogel dieses Register ernst meinte. Denn keiner wollte ihn aus der Regierung vertreiben. Die Emotionen schaukelten sich hoch: Der Schlagabtausch vor Kameras war nicht mehr aufzuhalten - auch von Kohl nicht, der Wilhelm die Kandidatur ausreden wollte. Der aber jubelte an jenem 11. November: Bernhard Vogel stürzte. Für Vogel stimmten nur 189 Delegierte, für Wilhelm aber 258. Mit den legendären Worten "Gott schütze Rheinland-Pfalz" verließ Vogel Koblenz und seine Ämter.

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