Rheinland-Pfalz Was die Roten Teufel und die SPD eint

Kaiserslautern/Mainz · Stadionbesuch zwischen Absturz und Aufbruch: SPD-Landesgeneralsekretär Daniel Stich spricht über Gemeinsamkeiten vom 1. FC Kaiserslautern und den Genossen. Und davon, welchen Neuanfang er sich erhofft.

 Was haben SPD und 1. FC Kaiserslautern gemein? Beiden droht der Absturz. Daniel Stich ist mit dem TV zu einem FCK-Heimspiel gefahren. Wir suchen nach Gemeinsamkeiten mit dem SPD-Landesgeneralsekretär, der in der eigenen Partei noch Überzeugungsarbeit leisten muss.

Was haben SPD und 1. FC Kaiserslautern gemein? Beiden droht der Absturz. Daniel Stich ist mit dem TV zu einem FCK-Heimspiel gefahren. Wir suchen nach Gemeinsamkeiten mit dem SPD-Landesgeneralsekretär, der in der eigenen Partei noch Überzeugungsarbeit leisten muss.

Foto: TV/Florian Schlecht

Wer ins Büro von Daniel Stich tritt, erspäht sofort eine Karl-Marx-Statue, die einen Schal des 1. FC Kaiserslautern trägt. Stich grinst spitzbübisch, denn in seinen vier Wänden kommen zwei seiner liebsten Welten zusammen: die Roten Teufel und die SPD, deren Generalsekretär er in Rheinland-Pfalz ist. Leidenschaften, die Stich zuletzt auch Leiden schafften. Mit dem TV fährt der 41-Jährige zu einem Heimspiel auf den Betzenberg, um über die Achterbahnfahrt vom FCK und Willy-Brandt-Haus zu sprechen, die ungewollt gemeinsame Höhen und Tiefen durchleben.

Beispiele gefällig? Als der FCK 1998 die Meisterschaft unter Otto Rehhagel feierte, löste im gleichen Jahr SPD-Mann Gerhard Schröder im Bund den ewigen CDU-Kanzler Helmut Kohl ab. Als Schröder abdankte, stieg der FCK nur ein Jahr später aus der Bundesliga ab. Und als bei der jüngsten Bundestagswahl die SPD mit 20,5 Prozent das historisch schlechteste Ergebnis einfuhr, steuerten die Roten Teufel schon schnurstracks auf den letzten Platz in der 2. Liga zu. Die einen entlassen Trainer, bei den anderen gehen Parteivorsitzende. Der FCK büßt Zuschauer ein, die SPD Wähler. Zeit für ein ernstes Gespräch.

Gibt es Gründe für den Absturz, die Kaiserslautern und SPD gemein haben? Stich denkt auf der Fahrt nach Kaiserslautern nach und sagt: „Beide verbindet die Tradition. Es wäre aber hilfreich, weniger über die Vergangenheit zu sprechen, mehr in die Zukunft zu schauen und dafür die Ärmel hochzukrempeln“, findet er. Dann fährt Stich weiter über die Autobahn, wo ihn schon die Wagen überholen, aus deren Fenstern FCK-Schals flattern.

Kaiserslautern, das ist Heimat für Stich. Der Fußball „Teil meiner Identität“. Und das Pilgern zum Betzenberg ein festes Ritual. Stich erzählt von einem abgebrochenen Nordsee-Urlaub, damit der Vater ins Stadion konnte. Er berichtet, wie wütend er am 15. Juni 1991 in der Schule saß. Der 1. FC Kaiserslautern gewann in Köln die Meisterschaft, Stich hörte es nur im Radio, weil samstags noch Schulpflicht war. Sieben Jahre später feierte er den Titel mit Otto Rehhagel im Stadion. Und heute? Stich singt im Stadion „You’ll never walk alone“ mit, klatscht bei gewonnenen Zweikämpfen, wedelt mit den Armen. Die Zuschauer sind emotional. Doch die Mannschaft verliert.

Ein bisschen ist das wie bei der SPD in den jüngsten Wochen. Die Mitglieder ringen emotional um die große Koalition, die Partei rutscht in Umfragen ab. Stich ist zuversichtlich, dass die Genossen bald wieder Fahrt aufnehmen. Spätestens nach dem Sonntag, wenn das Ergebnis des Mitgliederentscheids steht. Stich erwartet ein Ja zur Groko.  „Der Wind hat sich ein Stück weit gedreht, wir können mit den Inhalten des Koalitionsvertrages zufrieden sein. Es ist nicht SPD pur, aber doch eine starke sozialdemokratische Handschrift zu erkennen“, findet der Landesgeneralsekretär. Danach soll sich die SPD erneuern. Er warnt aber: „Es gibt in der Partei nach vielen Rückschlägen ein Stück weit Verzagtheit, Wut, Misstrauen. SPD erneuern ist kein Wundertrunk, den wir schlucken und alles ist gut“, meint Stich. Rheinland-Pfalz nennt er als Vorbild, das mit vielen bekannten Köpfen überzeuge.

Auch Stich will helfen – und in eigener Sache überzeugen.  Manchem Genossen in manchem Ortsverein wirkt der Mann mit dem gegelten Haar und dem hippen Bart nicht hemdsärmelig genug, sagen Beobachter. „Verbiegen ist nicht mein Ding“, antwortet Stich darauf. Aber auch: „Ich bin für alle da.“ Er sei selbst Arbeiterkind und vom Vater im Blaumann zur Schule gebracht worden. Mit ihm als Landesgeneralsekretär treibt die Partei den digitalen Ausbau voran, in Ludwigshafen ist ein Büro entstanden, das Menschen in ihren Alltagsnöten zur Seite stehen soll. Es sind erste Schritte zum Neuanfang. Führen sie die SPD dauerhaft auch im Bund wieder nach oben? Stich geht davon aus. Und hofft genauso bei den Roten Teufeln auf bessere Zeiten. Auch wenn es gegen Sandhausen schief geht. 0:1 verlieren die Roten Teufel und Stich ärgert sich über den Torschützen, der vor dem FCK-Fanblock frech jubelt.

 Eine Karl-Marx-Statue mit Kaiserslautern-Schal steht im Büro von Stich.

Eine Karl-Marx-Statue mit Kaiserslautern-Schal steht im Büro von Stich.

Foto: TV/Florian Schlecht

Doch bevor Stich den Betze verlässt, FCK-Schal um den Hals, wandelt sich der Frust wieder in Hoffnung um. Er singt ein Lied, das Tradition hat. „Lauterer geben niemals auf. Sie kämpfen.“

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