Wenn der Bischof den Gutachter fragt

Trier · Unter katholischen Geistlichen gibt es nicht mehr Pädophile als in anderen Berufsgruppen. Das ist ein Ergebnis einer von der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebenen Studie, die am Freitag der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Trier. Der Missbrauchsbeauftragte der katholischen Kirche, Triers Bischof Stephan Ackermann, dürfte mit dem Ergebnis zufrieden sein. Die von drei renommierten deutschen Universitäten erstellte Studie bestätigt, was die deutschen Bischöfe seit Beginn des Missbrauchsskandals nicht müde werden zu betonen: Katholische Geistliche leiden nicht häufiger unter psychischen Störungen als der Rest der Bevölkerung, der Zölibat ist an den sexuellen Übergriffen von Priestern nicht schuld, und die Rückfallgefahr ist - nach absolvierter Therapie - eher gering.
Was sagen die Gläubigen?


Der Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie der Uni Duisburg-Essen, Professor Norbert Leygraf, erläuterte das gestern bei der Vorstellung der Studie in Trier. Gemeinsam mit seinen Kollegen von anderen Hochschulen hat Leygraf 80 Gutachten ausgewertet, die über Priester gemacht wurden, die wegen Missbrauchs aufgefallen waren.
21 der 27 deutschen Bistümer haben sich an der Studie beteiligt. Welche Diözesen sich geweigert haben, ist nicht mal dem kirchlichen Missbrauchsbeauftragten Stephan Ackermann bekannt. "Aber mehr teilnehmende Bistümer hätten an der Aussagekraft der Studie nichts geändert", sagt Professor Leygraf, der nach eigenen Angaben überrascht war, "mit welcher Offenheit sich die Priester geäußert haben".
Die meisten Gutachten stammen aus den letzten Jahren, die unterschiedlich schweren Vorwürfe allerdings reichen oft Jahrzehnte zurück. Meist waren es Jungs oder männliche Jugendliche, die seinerzeit Opfer von Übergriffen wurden. "Das könnte damit zusammenhängen, dass Mädchen bis in die 1980er Jahre kaum als Messdienerinnen im Einsatz waren", glaubt der Wissenschaftler. Leygraf sagt, dass nur ein kleiner Teil der begutachteten Geistlichen sich sexuell zu Kindern und Jugendlichen hingezogen fühle. "In dem Punkt zeigen sich keine bedeutsamen Unterschiede zum Rest der Bevölkerung."
Bei etwa der Hälfte der begutachteten katholischen Priester gibt es nach Meinung der Experten keine Bedenken gegen einen weiteren Einsatz in der Seelsorge. Eingeschränkt einsetzbar seien 39 Prozent, abgeraten wird bei 15 Prozent der Geistlichen. "Ich muss auch die Frage der Akzeptanz bei den Gläubigen im Blick haben", kommentierte dies der Trie rer Bischof.
Selbst wenn ein Gutachter grünes Licht gebe, werde er keinen auffällig gewordenen Priester mehr in der Kinder- und Jugendarbeit einsetzen, sagte Stephan Ackermann.Extra

Welche Schlussfolgerungen ziehen die deutschen Bischöfe aus der Leygraf-Studie? Im nächsten Jahr sollen die Missbrauchsleitlinien verschärft werden. Dabei wird es auch darum gehen, ob und wie wegen sexueller Übergriffe aufgefallene Priester künftig eingesetzt werden. Opferverbände fordern, dass die Geistlichen rausgeworfen werden. Der Essener Wissenschaftler dagegen empfiehlt, "die Priester nicht auf die Straße zu setzen". Das erhöhe die Rückfall-Wahrscheinlichkeit. Blieben die Priester "innerhalb der Kirche", seien sie besser unter Kontrolle und bekämen in schwierigen Situationen Unterstützung. sey

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