Kriminalität Wenn’s dem Dieb an die Kohle geht

Trier · Kriminalität darf sich nicht lohnen. Deshalb geht der Staat bei der Vermögensabschöpfung jetzt restriktiver vor. Das lohnt sich nicht immer.

Wem im Dezember vergangenen Jahres ein Wasserkocher, eine Kaffeemaschine, Parfum der Marke Hugo Boss oder ein Damenhaarentferner gestohlen wurde, der sollte sich möglichst rasch bei der Trierer Staatsanwaltschaft melden. Gut möglich, dass das Diebesgut inzwischen aufgetaucht ist und von der Justiz verwahrt wird. Anfang Juli hat die Staatsanwaltschaft jedenfalls im Bundesanzeiger darüber informiert, dass in einem Verfahren vor dem Jugendschöffengericht diverse Gegenstände rechtskräftig eingezogen worden seien. Und dann wird nicht nur fein säuberlich aufgelistet, um welche Gegenstände es sich handelt, sondern auch, gegen wen sich das sogenannte Vollstreckungsverfahren „wegen gemeinschaftlichen, gewerbsmäßigen Diebstahls“ richtet. Die vollständigen Namen und die jeweiligen Geburtsdaten der in diesem Fall acht jungen Männer sind für jeden Interessierten einsehbar.

Bekanntmachungen wie diese findet man auf den entsprechenden Internetseiten inzwischen häufig. Denn seit das Gesetz zur Reform der Vermögensabschöpfung (siehe Stichwort) vor gut einem Jahr in Kraft trat, hat das Thema in Strafverfahren einen anderen Stellenwert. „Man merkt, dass da mehr Zug reingekommen ist“, sagt Finanzermittlerin Melanie Bohland vom rheinland-pfälzischen Landeskriminalamt. Die Vermögensabschöpfung müsse inzwischen eigentlich immer gemacht werden.

Das bestätigt auch der Trierer Oberstaatsanwalt Manfred Stemper. Die Gerichte müssten bei allen Straftaten, bei denen es „zu einer unberechtigten Vermögensverschiebung gekommen“ sei, eine sogenannte Einziehungsanordnung in Höhe des zu Unrecht erlangtes Vermögenswertes erlassen. Auf gut Deutsch: Wer etwas ergaunert hat, dem wird entweder die Beute wieder abgenommen oder etwas anderes, was aber genauso viel wert ist.

Was in der Theorie recht einfach klingt, bringt in der täglichen Ermittlerarbeit einiges an Problemen mit sich. Handelt es sich bei den vorgefundenen Wertgegenständen um einen Teil der Beute, können es die Fahnder dem Tatverdächtigen wegnehmen. Gehört das Auto, der Ring oder die Uhr aber angeblich dem Ehepartner, Verwandten oder Bekannten des Verdächtigen, macht es die Sache für die Ermittler schon schwieriger. Nicht selten kommt es vor, dass bei einem Kriminellen nichts mehr zu holen ist, weil das erbeutete Geld oder der Erlös der an einen Hehler verkauften Wertgegenstände für Rauschgift wieder ausgegeben wurde.

Nach der Statistik des Mainzer Landeskriminalamts wurden in den vergangenen Jahren die meisten Verfahren mit Vermögensabschöpfung im Bereich der Drogenkriminalität geführt. Die höchsten Sicherungssummen erzielten die Fahnder aber bei Diebstahl, Betrug, Geldwäsche oder Raub. Von 2010 bis 2017 hat sich die Zahl der Verfahren mit Vermögensabschöpfung in Rheinland-Pfalz nahezu verdoppelt – von seinerzeit 202 auf 367. Das gilt auch für die Sicherungssumme, die im gleichen Zeitraum auf zuletzt 11,5 Millionen Euro gestiegen ist. Zu einem in der Tendenz ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Statistik des  Mainzer Justizministeriums über die Einziehung von Vermögensgegenständen verurteilter Straftäter.

Der deutliche Anstieg dürfte nach Angaben eines Sprechers darauf zurückzuführen sein, dass das neue Gesetz die Einziehung generell vorsehe, auch wenn es noch keine Ansprüche von Geschädigten gebe. Denkbar ist ja, dass die Opfer sich später noch melden und – wie im Fall der Anfang Juli von der Trierer Staatsanwaltschaft veröffentlichten Liste mit Diebesgut – ihre Ansprüche geltend machen. Dass bei einigen Kriminellen im nachhinein nicht mehr viel zu holen ist, merkt die Justiz auch an einer anderen Stelle. Wer in einem Strafprozess rechtskräftig verurteilt wurde, muss auch die Kosten seines Prozesses tragen. Die liegen nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung je nach Delikt und Verfahrensdauer bei zwischen 2000 und 20 000 Euro. In Rheinland-Pfalz werden demnach gerade einmal gut die Hälfte der Prozesskosten von den Schuldnern auch beglichen, in vielen anderen Bundesländern liegt die Quote nach Angaben der Zeitung noch deutlich darunter. Wohl mit ein Grund, warum auf die Vermögensabschöpfung jetzt mehr geachtet wird.

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