Landesregierung Wie in der Schule: Jetzt gibt es Zeugnisse!

Trier/Mainz · Halbzeit für die Ampel- koalition: Wie haben sich Malu Dreyer und ihre Minister geschlagen? Der TV verleiht Noten.

 Die Griffel sind gespitzt, doch wie schlägt sich Rot-Grün-Gelb in der Praxis? Der TV benotet die Regierungsarbeit.

Die Griffel sind gespitzt, doch wie schlägt sich Rot-Grün-Gelb in der Praxis? Der TV benotet die Regierungsarbeit.

Foto: dpa/Arne Dedert

Wenn Fußballspieler zur Halbzeit in die Kabine trotten, dürfen sie mit einer ersten Ansprache rechnen. Was war gut, was war schlecht, wo müssen wir uns verbessern? In Rheinland-Pfalz hat nun die Ampelkoalition ihre erste Hälfte hinter sich. TV-Landeskorrespondent Florian Schlecht analysiert, wie sich die Regierung geschlagen hat.

Malu Dreyer (Ministerpräsidentin, SPD): Dreyer gilt als geschickte Moderatorin der Koalition, von der sich alle Parteien mitgenommen fühlen. Ihre schwerste Krise überstand die Triererin, als die Ampel geschlossen ein Misstrauensvotum der CDU wegen des Hahn-Debakels ablehnte. Bei der schleppend laufenden Digitalisierung ging es nach einer zu beliebigen Strategie zuletzt aufwärts: 100 Millionen Euro schafft das Land im Doppelhaushalt 2019/20 an Rücklagen, um ein schnelles Gigabit-Netz auszubauen. Gestiegen ist Dreyers Ruf über Landesgrenzen hinaus: Medien laden die Bundes-Vize der SPD gerne ein, weil Dreyer mit der nötigen Entfernung nach Berlin unbefangen das Chaos in der großen Koalition und besonders leidenschaftlich den Umgang in der Union kritisiert. Geht es um die Zukunft der SPD, bestreitet sie, Bundeskanzlerin oder Parteichefin werden zu wollen. Dreyer konzentriert sich auf Rheinland-Pfalz (das Wort „Landesmutter“ ist längst nicht mehr verpönt) und will 2021 noch mal als Spitzenkandidatin der SPD antreten. (Note 2)

 Malu Dreyer (SPD)

Malu Dreyer (SPD)

Foto: dpa/Andreas Arnold

Volker Wissing (Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, FDP): Wissing überzeugt besonders in der Verkehrspolitik, wo er den A-1-Lückenschluss und den Moselaufstieg vorantreibt. Damit genügend Kräfte die Straßen planen können, stellte das Land 76 neue Ingenieure ein und will in den kommenden beiden Jahren wieder 61 Stellen schaffen. Erledigt haben dürfte sich die Mittelrheinbrücke nach einem Konfikt mit dem Rhein-Hunsrücker CDU-Landrat Marlon Bröhr. Aus der Wirtschaft sickerte in den vergangenen Monaten Kritik aus Verbänden und Kammern durch, Wissing zeige zu wenig Interesse an ihnen. Hier muss der Minister mehr Akzente setzen. Im Tourismus stockt der Minister Mittel auf, will Rheinland-Pfalz über eine einheitliche Marke bekannter machen. Die Arbeit dazu leistete im Vorfeld Staatssekretärin Daniela Schmitt. Groll hegt Wissing nach wie vor gegen die CDU, die ihn im schwarz-gelben Bundesbündnis von 2009 bis 2013 sichtlich traumatisiert hat. In der Landes-FDP ist Wissing, dem durchaus noch Bundesambitionen nachgesagt werden, als Ampel-Befürworter besonders im Koblenzer Raum nicht unumstritten. (Note 3+)

  Volker Wissing (FDP)

Volker Wissing (FDP)

Foto: dpa/Andreas Arnold

Ulrike Höfken (Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten, Grüne): Als Fachpolitikerin ist die Eifelerin hoch geschätzt. Bei Gewässerschutz, Artenvielfalt, Ökolandbau und mehr Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien in der Region Trier darf Höfken bei klassischen Grünen-Themen schalten und walten, wie sie will. Ihre Probleme: Ein Leuchtturmprojekt wie der Nationalpark in der vergangenen Legislaturperiode fehlt. Die eigenen Inhalte vermarktet das Haus – und damit auch Höfken – zu bieder. (Note 3)

Doris Ahnen (Ministerin für Finanzen, SPD): Doris Ahnen ist die solide Meisterin der Zahlen, die ihre Arbeit geräuschlos erledigt und schon 2019 einen Haushalt ohne Schulden vorlegt. Zugleich stockt das Land die Beamtenbezüge auf, um im Wettbewerb um Lehrer, Polizisten und Ingenieure bei der Bezahlung die Abstiegsränge zu verlassen. Den von ihr ungeliebten und verfassungswidrigen Pensionsfonds löste Ahnen nach einem Gerichtsurteil zügig auf. Einziges Manko: Scheitern dürfte die Triererin mit dem Ziel, bis zum Ende der Legislaturperiode 20 000 soziale Wohnungen zu fördern – bislang liegt das Land erst bei gut 6600. (Note: 2)

  Ulrike Höfken (Bündnis 90/Die Grünen)

Ulrike Höfken (Bündnis 90/Die Grünen)

Foto: dpa/Andreas Arnold

Sabine Bätzing-Lichtenthäler (Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie, SPD): Oft kritisiert für die fehlende ärztliche Versorgung auf dem Land, setzte Bätzing-Lichtenthäler dort zuletzt Akzente. Sie sprach sich für die erste rheinland-pfälzische Ärztegenossenschaft in Bitburg aus. Eine Landarztquote soll mehr Medizinstudenten dazu animieren, künftig im ländlichen Raum zu arbeiten. Auch für die Telemedizin stellte die Ministerin mehr Geld bereit. Dazu gesellen sich immer wieder Stolpersteine wie Chaos beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Beim Landeskrankenhausplan, der bis Ende des Jahres stehen soll, bahnt sich mehr Wohlfühlpolitik an als ein klarer Plan, wie es dauerhaft besonders bei kleinen Kliniken weitergeht. (Note 3-)

Herbert Mertin (Minister der Justiz, FDP): Mit seinem talentierten Staatssekretär Philipp Fernis schaffte es Mertin, im kommenden Doppelhaushalt 265 neue Stellen für die Justiz zu schaffen. Davon profitieren das unter Asylklagen ächzende Trierer Verwaltungsgericht und die überlasteten Vollzugsbeamten in den Gefängnissen. Zündstoff birgt das drohende Aus des Trierer Knastes, gegen das sich nun der Stadtrat in einer Resolution stellt. Bislang gelang es Mertin aber, alle Krisen ruhig zu bewältigen. (Note 2)

Stefanie Hubig (Ministerin für Bildung, SPD): Die Reform der kleinen Grundschulen war ein Fiasko. Beim Entwurf des Kita-Gesetzes bahnen sich neue Konflikte an: Wo Eltern sich froh zeigen, künftig das Recht auf eine durchgängige Sieben-Stunden-Betreuung ihrer Kinder zu haben, kommen von anderer Seite Einwände: Erzieher fürchten höhere Belastung, Träger enorme Kosten bei einem Ausbau der Gebäude. Wenn Hubig es aber gelingt, beim Kita-Gesetz den Ärger abzuwenden und sie sich bei der Unterrichtsversorgung weiter der 100-Prozent-Marke nähert, muss sie sich am Ende der Legislaturperiode nicht verstecken. Bislang gelingt es der für ihr offenes Ohr oft gelobten Hubig – anders als anderen Ländern – alle Stellen bei Grundschullehrern zu besetzen. (Note 4+)

Roger Lewentz (Minister für Inneres und Sport, SPD): Der größte Bock der Ampelkoalition ging auf das Konto des Innenministers. Der verpatzte Verkauf des Flughafens Hahn an den dubiosen Bieter SYT ließ die Landesregierung früh in eine Krise schlittern, die der Minister überstand. Bei der Sicherheit sprechen Zahlen für ihn: Es gab zuletzt so wenige Straftaten im Land wie seit 23 Jahren nicht mehr, Einbrüche gingen um 28,3 Prozent zurück, bis 2021 soll die Polizei auf 9160 Vollzeitstellen wachsen. Über ein bundesweit einmaliges Gefährderkonzept enttarnte Rheinland-Pfalz gefährliche Mehrfachstraftäter. Die größte Gefahr lauert für Lewentz nach wie vor am Hahn. Falls sich HNA nicht als Betreiber bewährt, stellt sich auch die Frage, was aus millionenschweren Investitionsversprechen des Landes wird. (Note 3-)

Anne Spiegel (Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz, Grüne): Anne Spiegel war in der Ampelregierung lange Zeit das Sorgenkind. Als der Betreuer eines minderjährigen Bombenbastlers unter Salafismusverdacht stand, ein gefährlicher Abschiebehäftling geflohen war und ein afghanischer Flüchtling ein 15-jähriges Mädchen tötete, griff besonders die AfD die junge Ministerin an. Der größte Rückschlag für Spiegel: die Kritik vom höchsten Landesrichter Lars Brocker, der ihr vorwarf, bei Abschiebungen die Justiz zu missachten. Als Spiegel ihr viertes Kind bekam und dann aus dem Mutterschutz zurückkehrte, ist es ruhiger um sie geworden. Ein Wechsel in der Pressestelle verbesserte die Krisenkommunikation des Hauses spürbar. Bei Abschiebezahlen muss sich das Land im bundesweiten Vergleich nicht verstecken, offen werben kann eine grüne Ministerin damit aber nicht. Um dem Ruf als Hoffnungsträgerin ihrer Partei gerecht zu werden, darf sie sich keine weiteren Pannen erlauben – und muss inhaltlich (endlich) wieder Akzente setzen. (Note 4)

 Doris Ahnen (SPD)

Doris Ahnen (SPD)

Foto: Fredrik von Erichsen
 Herbert Mertin (FDP)

Herbert Mertin (FDP)

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 Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD)

Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD)

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 Stefanie Hubig (SPD)

Stefanie Hubig (SPD)

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 Anne Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen)

Anne Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen)

Foto: dpa/Andreas Arnold
 Roger Lewentz (SPD)

Roger Lewentz (SPD)

Foto: dpa/Arne Dedert
 Konfrad Wolf (SPD)

Konfrad Wolf (SPD)

Foto: Arne Dedert

Konrad Wolf (Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, SPD): Konrad Wolf bleibt unter den Ministern der Unscheinbarste. Die Karl-Marx-Ausstellung war ein Erfolg für die Region, auch wenn die Besucherzahlen hinter Nero zurückblieben. Der Kulturhaushalt steigt um zehn Prozent auf 123 Millionen Euro bis 2020. Das war allerdings auch höchste Eisenbahn: Bei den Ausgaben für Kultur pro Kopf lag Rheinland-Pfalz bundesweit auf dem letzten Platz. Wolf steht bis 2021 vor der harten Aufgabe, Hochschulen für die Zukunft aufzustellen, die ein Gutachten als „chronisch unterfinanziert“ bezeichnet hatte. An der Aufgabe muss sich der Minister messen lassen, der sich politisch deutlicher positionieren muss. Gelingt das nicht, bleibt seine Versetzung 2021 gefährdet – und auch die Zukunft des vom Bildungsministerium abgekoppelten Hauses. (Note 4+)

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