Zurück zur Form

Generalbundesanwältin Monika Harms hat gestern bei den "Bitburger Gesprächen" deutliche Worte gesprochen: Um das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz wiederzugewinnen, müsse man sich auf den Strafprozess zurückbesinnen. Sie erteilt damit Lösungen à la Hartz und Ackermann eine klare Absage.

Bitburg. (kah) "Allen Unkenrufen zum Trotz bin ich noch nicht entlassen worden", sagt Generalbundesanwältin Monika Harms in leicht scherzhaftem Ton. Ende Dezember hatte der Bundesgerichtshof das Vorgehen der Bundesanwaltschaft im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm gerügt. Ein Beschluss, den nicht nur die Grünen als schallende Ohrfeige werteten. "Ich hätte Lust, ihnen zu erklären, wie solche Vermittlungen laufen", sagt Harms - doch deswegen ist sie nicht zu den 50. Bitburger Gesprächen gekommen. Stattdessen legt sie ihrem Publikum anheim, die Beschlüsse selbst zu lesen. Es handelt sich um ein Fachpublikum: Richter, Wissenschaftler und Politiker diskutieren seit 1972 am Bitburger Stausee über rechtspolitische Fragen. Dieses Jahr geht es um Privatautonomie oder vereinfacht ausgedrückt: Wie viel muss der Staat regeln? Wie weit können staatliche Funktionen privatisiert werden? Monika Harms ist angereist, um über die einverständliche Beendigung von Strafprozessen zu referieren. Ein Themenkomplex, der in den Medien eng mit Namen wie Hartz oder Ackermann verknüpft ist. "Diese Namen stehen für von der Öffentlichkeit nicht mit der gleichen Empörung wahrgenommene Fälle", sagt Harms. Die brisante Frage ist: Ist es gerechtfertigt, einen "Deal" mit dem Angeklagten zu machen? Einen Deal, der den ohnehin meist überlasteten Richtern langwierige, teure und nervenaufreibende Hauptverhandlungen erspart? Einen, der alle zufriedenstellt, meist jedoch nur jenen Angeklagten ermöglicht wird, die genügend Geld auf dem Konto haben?Harms spricht gar von einem Paradigmenwechsel in der Justiz, einer Hinwendung zu heimlichen Verfahren, in denen das Interessengeflecht zwischen den Beteiligten nicht mehr überprüfbar sei. In der Wirtschaftsstrafkammer würden inzwischen zwei Drittel der Fälle im Einvernehmen geregelt, ähnlich sei es im Steuerstrafrecht. "Die Banken haben kein Interesse zur Rechtsfortbildung beizutragen", sagt sie und erntet Amüsement. Und auch im Bereich der organisierten oder der Drogenkriminalität stelle sie diesen Trend fest. Je komplizierter die Rechtsmaterie, je umfangreicher das Aktenmaterial und je größer der Vorlauf, desto größer sei die Neigung, sich statt auf eine monate- bis jahrelange Hauptverhandlung auf einen solchen "Deal" einzulassen. "Die Auswirkungen sind nicht absehbar. Viele glauben jetzt schon, dass die Großen laufengelassen werden", sagt Harms. Ihre Antwort ist eindeutig: "Ich bin dezidiert gegen diese Verfahren", sagt sie. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz müsse wiedergewonnen werden. Sie plädiert für eine Rückkehr zur Form, eine Rückbesinnung auf den Strafprozess.

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