Schwerpunkt: Datenschutz in sozialen Netzwerken Selbstversuch: Was weiß Facebook über mich?

Heddert/Trier · Was weiß das soziale Netzwerk über seine Nutzer? Ein Selbstversuch. Die anfängliche Nostalgie weicht einer erschreckenden Erkenntnis.

 Kleiner Buchstabe, große Wirkung: Mehr als zwei Milliarden Menschen nutzen Facebook.

Kleiner Buchstabe, große Wirkung: Mehr als zwei Milliarden Menschen nutzen Facebook.

Foto: dpa/Dominic Lipinski

Ich nutze Facebook. Jeden Tag klicke ich auf meinem iPhone auf das Symbol mit dem kleinen blauen „f“. Meistens denke ich dabei nicht richtig nach, sondern scrolle einfach nach unten und überfliege die angezeigten Bilder und Beiträge. Ab und an like ich etwas, noch seltener tippe ich einen kurzen Kommentar ein. Auf meinem Profil habe ich angegeben, was ohnehin jeder wissen darf: Alter, Wohnort, wo ich zur Schule gegangen bin, dass ich beim Volksfreund arbeite und den Namen meiner Freundin und die Namen einiger Verwandten. Diejenigen, die mich kennen, wissen das sowieso. Warum sollte ich das verheimlichen?

Was meine Freunde von außen auf meiner Seite sehen, weiß ich. Das kann ich kontrollieren. Ich fühle mich als Herr über meine Daten. Wenn ich eine Information für mich behalten will, dann lösche ich sie. Es ist wie im echten Leben: Wenn ich will, dass jemand etwas weiß, dann sage ich es ihm. Wenn nicht, dann nicht. So viel kann Facebook nicht wissen - nur das, was ich ihm irgendwann erzählt habe. Doch kann mein Gedächtnis mit den Servern und Datenbanken des Milliardenkonzerns mithalten?

Dank der EU kann ich Facebook befehlen, mir alle meine Daten zukommen zu lassen. Diese Chance ergreife ich und lasse mir eine Kopie meiner kompletten Daten schicken. Nach einigen Klicks (Anleitung siehe Info) habe ich eine Datei auf meinem PC. Mein Facebook-Leben in 407 Megabyte und 23 Unterordnern. Ich bin gespannt, was sich in den Ordnern verbirgt. Gleichzeitig beschleicht mich ein mulmigen Gefühl, wenn ich die Datenmenge betrachte. Ohne Grund, denn ich habe ja nichts zu verheimlichen. Oder?

Ich weiß nicht so recht, wo ich anfangen soll. Die Ordner tragen englische Namen, ich suche mir zum Start einen vermeintlich harmlosen heraus, er heißt „friends“. Meine Freunde. Aufgelistet in der Reihenfolge des Anfreundens. Mit Datum und genauer Uhrzeit. Interessehalber schaue ich, wer mein erster Freund vor neun Jahren war. Heute habe ich kaum noch Kontakt zu ihm. Eine Erinnerung, die mich schmunzeln lässt. Mehr nicht. Die nächste Liste zeigt mir alle Anfragen, die ich abgelehnt habe. Mit einigen bin ich heute befreundet  – Freundschaft auf den zweiten Klick sozusagen. Außerdem sehe ich die Freunde, die ich gelöscht habe. Meine Ex-Freundin, ein Streit aus meiner Schulzeit und Personen, die mich einfach irgendwann genervt haben. Der Freunde-Ordner gleicht einem persönlichen Geschichtsbuch, er bringt mehr Erinnerungen als einschüchternde Erkenntnisse. Warum auch? Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen und nichts zu befürchten. Trotzdem steht es eins zu null für Facebook, denn an vieles konnte ich mich nicht mehr erinnern.

Ich klicke mich weiter durch die Ordner. Unter „events“ sehe ich alle Veranstaltungen, zu denen ich eingeladen wurde, an denen ich teilgenommen oder die ich abgelehnt habe. Auch hier warten viele Erinnerungen, etwa meine eigenen  Geburtstagsveranstaltungen. Den 17., 18. und 21. Geburtstag. War das schön! Ich versinke in Gedanken. Meine Eltern hatten mir zum 18. Geburtstag eine Karte für mein erstes Rockfestival geschenkt. Der Ordner ist voller schöner Erinnerungen. Gleiches gilt für meine Posts, Kommentare, den Suchverlauf, Fotos und Likes. Ab und zu erröte ich. Was hat man früher nicht so alles geschrieben. Fast vergessene Kontakte sind plötzlich wieder da. Vielleicht sollte ich mich bei dem einen oder anderen mal wieder melden? Abgeschreckt bin ich nicht, denn wer lange genug sucht, könnte das auch in Facebook auf meiner Seite finden. Und schließlich habe ich ja nichts zu verschweigen.

Der nächste Ordner klingt zunächst erschreckend: „payment history“. Bezahlgeschichte. Bezahlen über Facebook? So etwas mache ich nicht, das ist mir zu unsicher. Komisch, denn der Ordner hat drei Einträge. Ich habe für Spendenaktionen gespendet. Aber das wissen meine Freunde  auch. Was sie nicht wissen, ist die Adresse, mit der ich beim Bezahldienst PayPal angemeldet bin. Facebook kennt sie. Mein Passwort aber nicht. Halb so wild also. Doch zum ersten Mal versetzen die Daten mir einen Nadelstich an Schrecken. Ich fühle mich, als sei ich glimpflich davongekommen.

Im Blick: Facebook-Gründer Mark Zuckerberg stand nach dem Datenskandal in der Kritik.

Im Blick: Facebook-Gründer Mark Zuckerberg stand nach dem Datenskandal in der Kritik.

Foto: dpa/Ting Shen

Ein Ordner heißt „apps and websites“. Er beinhaltet alle Seiten und Apps, bei denen ich mich mit einem Klick mit meinem Facebook-Account angemeldet habe. Das mache ich oft, denn es ist einfacher als sich immer neue zu Daten überlegen. Scheinbar habe ich Accounts bei einer Pokerwebsite, RTL Inside, Mobage (was ist das überhaupt?) und einem Handyspiel zum Film „Der Hobbit“. Alles über die Jahre entstanden. Ich kann mich nicht erinnern, habe aber auf allen diesen Seiten Profile. Habe ich doch etwas zu verheimlichen?

Erinnern kann ich mich oft auch nicht an all die Nachrichten, die ich geschrieben habe. Egal mit wem, egal wann: Alle sind sie da. Mein Gedächtnis liegt schon lange weit zurück hinter den Servern und Datenbanken des Konzerns. Meine Nachrichten würden Lesestoff für mehrere Wochen bieten. Hoffentlich habe ich nichts zu verheimlichen. Langsam werden mir die Daten unangenehm. Ich möchte nicht, dass jemand anderes meine Chats liest.  Außerdem kategorisiert das Netzwerk die Menschen, mit denen ich befreundet bin. Die Aussage: Meist sind das Menschen am Anfang ihres Erwachsenenlebens. Stimmt. Auf dieser Grundlage schlägt mir Facebook neue Freunde vor.

Ich öffne einen Ordner, vor dem ich Respekt habe: das Adressbuch. Dort finde ich alle Kontakte meines Handys mit Name, Handynummer und genauer Uhrzeit des Speicherns. Nicht nur von meinem jetzigen Handy, sondern auch von meinen alten, deren Nummern ich längst vergessen habe. Facebook nicht. Diesen Rückstand kann mein Gedächtnis niemals aufholen.

Zur Beruhigung brauche ich wieder einen Ordner ohne viele Risiken. „Profile Information“ bietet sich an: Was da steht, wissen ja sowieso alle, die mich kennen. Wirklich? Nein. Denn Facebook weiß nicht nur, was heute ist, sondern auch, was einmal war. Es nennt mir alle meine vorherigen Beziehungen, die Tatsache, dass ich mir aus Spaß im Jahre 2011 für einen Tag ein Accent auf das „e“ meines Nachnamens gesetzt habe und alle meine ehemaligen Handynummern. Außerdem sehe ich hunderte Interessen, gegliedert in Kategorien. Anhand dieser schaltet Facebook Werbung. Wenn ein Unternehmer seine Anzeigen an Pferdehalter im Alter von 30 bis 45 richten will, die sich für Jazzmusik interessieren, dann kann er das Facebook mitteilen. Das Netzwerk filtert anhand der Interessen eine solche Zielgruppe heraus.

Das ist auch der Punkt, an dem Facebook Geld verdient: die Werbung. Ein Ordner zeigt mir alle Werbeanzeigen, auf die ich geklickt habe. Viele davon hatte ich für normale Beiträge gehalten. Erschreckend - Facebook verdient Geld mit mir, ohne dass ich es merke. Unheimlich.

Am liebsten würde ich den Test beenden, doch zumindest in den Ordner „Security and log-in information“ muss ich noch schauen – vor ihm habe ich am meisten Respekt. Ich sehe, wann ich meine Passwörter geändert und wann ich Facebook aktualisiert habe. Facebook weiß auch immer, wo ich bin: Es sagt mir, wann ich mich wo auf welchem Gerät angemeldet habe. Dass ich im Februar in Konz-Könen war, habe ich vergessen – Facebook nicht: Ich habe mich damals auf meinem iPone 6s angemeldet. Um genau 19.54 Uhr.

Das war’s. Facebook weiß viel. Das Erschreckende ist jedoch, dass ich ihm das fast alles irgendwann gesagt habe. Es ist einfach sehr gut darin, sich Dinge zu merken. Es weiß Details, die ich schon lange vergessen habe und die weit in meiner Vergangenheit liegen. Und es benutzt diese Informationen um damit Geld zu verdienen.Und doch wird Facebook mich nicht verlieren. Ich werde wieder auf meinem iPhone die App mit dem kleinen „f“ öffnen, werde wieder gedankenlos scrollen. Weil ich es nicht missen will, ständig aktuell informiert und erreichbar zu sein. Für mich gehört Facebook inzwischen einfach zum Leben. Und ich werde Facebook weiter Dinge von mir erzählen. Aber ich werde genauer auswählen, was ich preisgebe. Und das, obwohl ich nichts zu verheimlichen habe.

„Die Nutzung von Facebook ist ein hohes Risiko“ - Interview mit dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit

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