Politik Lügen, Intrigen und Politik

Mainz · Lerch gegen Weber: FDP-Fraktionsvize will Parlamentarischem Geschäftsführer Aussage verbieten lassen und thematisiert dabei dessen Liebesleben.

 Die Kontrahenten: Helga Lerch.

Die Kontrahenten: Helga Lerch.

Foto: FDP/Christian Kuhlmann

  In einem politischen Kleinkrieg ist eine Klage die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Und so saßen sich die beiden FDP-Parteifreunde und Fraktionskollegen Helga Lerch und Marco Weber statt im Mainzer Abgeordnetenhaus 130 Meter weiter gen Rhein im Saal 207 des Landgerichts gegenüber – nicht als stellvertretende Fraktionsvorsitzende und parlamentarischer Geschäftsführer. Die neue Rollenverteilung: Klägerin und Beklagter. Nun kommt (Rechts-)Streit auch in den besten (Partei-)Familien vor, doch die Causa Lerch gegen Weber hat einen besonderen, mit dem Kuriosen flirtenden Charakter, einen Hauch von „House of Cards“ am Rhein: Intrigen, Lügen, Politik und eine krachende Niederlage für die Klägerin.

Lerch will Weber folgende Behauptung verbieten lassen: In einem Telefonat erklärte demnach „die Abgeordnete Lerch, dass sie Aufzeichnungen über das Privatleben des Abgeordneten Weber gefertigt habe und diese öffentlich machen werde, wenn sie aufgrund ihrer Äußerungen durch die Fraktion in irgendeiner nachteiligen Weise behandelt werde“. Die Krux: Öffentlich wurde diese Aussage erst im Gerichtssaal, als sie Richter Moritz Vogt verlas. Bisher tauchte sie nur in einem internen Schreiben – in dem Antrag auf den Ausschluss Lerchs aus der FDP-Landtagsfraktion – auf. Für juristische Laien: Lerch zog vor Gericht, um Weber eine Aussage verbieten zu lassen, die erst durch den Prozess wirklich öffentlich wurde. Bisher hatten Medien nur vage angedeutet, welcher Vorwurf im Raum stand. Daran ließ Lerch nun keinen Zweifel, als sie dem Richter ihre Sicht der Dinge schilderte. Weber habe sie aufgebracht angerufen: „,Am Montag ist die Koalition zu Ende‘, hat er gesagt. Als ich wissen wollte, warum, hat er auf meine Äußerungen im Ausschuss für Gleichberechtigung und Frauenförderung verwiesen.“ Lerch betonte auch bei Gericht, dass sie dort lediglich eine Frage gestellt habe, keineswegs andeuten wollte, die Schulaufsicht gehe zu lasch bei sexuellen Übergriffen durch Lehrer vor. „Ich konnte die Aufregung nicht nachvollziehen“, fuhr sie fort, weil Weber immer lauter reagiert habe, sagte sie: „‚Deine Lebensgefährtin ist bei dir im Wahlkreisbüro unter Vertrag. Du weißt, dass das nicht erlaubt ist.’ Er hat dann gesagt, dass er eine schriftliche Erlaubnis der Landtagsverwaltung hat. Dann habe ich gesagt: ,Dann ist ja gut.‘“. Von Veröffentlichung sei nie die Rede gewesen. Laut Webers Schilderung „eine unwahre Tatsachenbehauptung“. Für Laien: Lerch sagt, dass Weber lügt. Der sagt: Stimmt nicht. Dass Weber tatsächlich eine Beziehung mit seiner Wahlkreismitarbeiterin führt, ist indes kein Geheimnis. Ein Blick auf dessen Facebook-Seite genügt.

Weber äußerte sich nicht öffentlich, gab stattdessen eine eidesstattliche Versicherung ab, blieb bei seiner Darstellung. „Ich will dazu nichts sagen, weil es sich um eine interne Angelegenheit der Fraktion handelt“, ließ er erklären. Sein Anwalt Benedict Bock schloss an: „Ich weiß auch nicht, wie sinnvoll es ist, dass Frau Lerch hier die Öffentlichkeit sucht, um ihr Persönlichkeitsrecht zu schützen. Sie stellt damit genau die Öffentlichkeit her, die sie vorgibt, nicht zu wollen.“ Sein Mandant habe sich an die strengen Vorgaben des Fraktionsausschlussverfahrens gehalten.

Für Richter Vogt hätte das Verfahren an dieser Stelle beendet sein können. Er wandte sich an Lerch: „Ich habe ein Problem mit ihrem Unterlassungsanspruch.“ Um seine Ausführungen zusammenzufassen: Die Abgeordneten dürfen sich im Fraktionsausschlussverfahren genau wie geschehen äußern, insofern sie nicht bewusst lügen. In der Causa Lerch gegen Weber stehe nun Aussage gegen Aussage. Er könne nicht sagen, was stimmt, und lege Lerch nahe, den Antrag zurückzuziehen. „Ich kann Ihnen das allerdings auch auf vielen Seiten als Spruch begründen“, sagte Vogt.

 Marco Weber.

Marco Weber.

Foto: TV/Florian Schlecht

Doch als der Jurist sich am Ende wähnte, ging der politische Streit weiter. Beratungen zwischen den Anwälten. Gefühlte Minusgrade im Saal. Letztlich wollte man sich nicht mehr gütlich einigen. Lerch wollte nicht zurückziehen. Das Urteil fällt am kommenden Dienstag. Hier liegt der große Unterschied zur US-Serie „House of Cards“: Niemand erwartet den Ausgang gespannt.

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