28,5 Millionen Fahrgäste - und doch zu wenig Geld
Trier · Das Hauen und Stechen in Sachen Nahverkehr in der Region geht weiter: Das Land sieht die Überlegungen, den Verkehrsverbund Region Trier (VRT) aufzulösen, kritisch. Busunternehmer verlangen mehr finanzielle Unterstützung vom Land.
Trier. Die Töne aus dem Mainzer Verkehrsministerium sind ungewöhnlich heftig: Es fehle in der Region Trier an einer zukunftsweisenden Verkehrsplanung der Kommunen, die für den Nahverkehr zuständig sind, sowie an innovativen Konzepten der Verkehrsunternehmen. "Zu diesen beiden Ansatzpunkten für die Zukunftsfähigkeit des ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr) besteht in der Region Trier erheblicher Nachholbedarf", sagt Ministeriumssprecher Joachim Winkler. Daher habe das Land dem Verkehrsverbund Region Trier (VRT) angeboten, ihn bei seinen anstehenden Planungsaufgaben zu unterstützen. Sprich: Der VRT braucht nach Ansicht der Verantwortlichen im Ministerium Nachhilfe aus Mainz. Damit legt das Land in seiner Kritik an dem seit zehn Jahren bestehenden Verbund nach. Kürzlich hatte ein hochrangiger Ministeriumsmitarbeiter empfindlich reagiert, als der Vorsitzende des VRT-Zweckverbands, der Bitburg-Prümer Landrat Joachim Streit, angekündigt hatte, den öffentlichen Busverkehr in der Region einzustellen, wenn das Land seine finanzielle Unterstützung nicht erhöhe. Die Region müsse erst einmal ihre Hausaufgaben in Sachen Busverkehr machen, hieß es damals aus Mainz. Diese Äußerung sorgte für Verärgerung bei Streit und den im VRT zusammengeschlossenen Verkehrsunternehmen. "Wenn wir - wie vom Land gewünscht - alle nicht rentablen Strecken streichen würden, dann würde die Hälfte des Busangebots in der Region wegfallen", sagt Rolf Tödtmann, Geschäftsführer des Busunternehmens Moselbahn. Nicht der VRT und die Unternehmen hätten ihre Hausaufgaben nicht gemacht, sondern das Land. Statt den Busverkehr zu unterstützen, habe Rheinland-Pfalz einseitig den Bahnverkehr gefördert. Busunternehmen fordern Anschubfinanzierung
Als Beispiel nennt Tödtmann den geplanten - aber derzeit auf Eis liegenden - Ausbau der Hunsrückbahn zum Flughafen Hahn. "Wer mit der Bahn fährt, braucht auch Busse, um zum Bahnhof zu kommen", sagt Tödtmann. Er fordert für die Busunternehmen eine Anschubfinanzierung vom Land, um auch neue Konzepte wie etwa Rufbusse, die auf telefonische Bestellung zu Haltestellen kommen, auszuprobieren. Wenn solche Konzepte mit der Zeit rentabler würden, könnte die finanzielle Unterstützung aus Mainz immer mehr zurückgefahren werden. "Wir haben derzeit aber nicht das Geld, um Neues auszuprobieren", sagt Tödtmann. Um etwa auf der Strecke Föhren-Naurath (Kreis Trier-Saarburg) auskömmlich zu fahren, müssten pro Fahrt 38 Euro umgesetzt werden. Bei im Schnitt gerade mal drei Fahrgästen sei man davon aber weit entfernt, sagt der Moselbahn-Chef. "Können Linien nicht mehr durch Fahrgeldeinnahmen finanziert werden, werden die Verkehrsunternehmen genehmigte Konzessionen für den Buslinienverkehr zurückgeben oder nicht mehr beantragen, um einer Insolvenz zu entgehen", macht Gabriele Rau, Sprecherin der Bahn-Tochter Rhein-Mosel-Verkehrsgesellschaft (RMV) deutlich. Ziel müsse es sein, die Schülerbeförderung trotz rückläufiger Schülerzahlen sicherzustellen, der Bevölkerung auf dem Land eine ÖPNV-Grundversorgung zu gewähren und durch "flexible Angebotsformen", die weiteren Mobilitätsbedürfnisse zu erfüllen. "Wichtigstes Ziel muss es sein, dass Busfahren auch in Zukunft bezahlbar bleibt", sagt Rau. Das kann nach Ansicht von Ministeriumssprecher Winkler aber nur durch den Erhalt des VRT gewährleistet werden. Bei einer Auflösung des Verbundes sei mit einer unmittelbaren Preissteigerung zu rechnen, sagt Winkler. Allerdings steigen die Preise für die Nutzung von Bus und Bahn in der Region auch ohne Auflösung des VRT. Erst kürzlich wurde beschlossen, die Tarife zu Beginn kommenden Jahres um fast fünf Prozent und im April erneut um rund zwei Prozent anzuheben. Eigentlich wären pro Jahr Preiserhöhungen von neun bis zehn Prozent notwendig - allein um den jährlichen Rückgang der Schülerzahlen und damit den Wegfall von Einnahmen zu kompensieren, meinen die Busunternehmen. Bisher sei es gängige Praxis gewesen, Buslinien, die defizitär waren, durch die Einnahmen im Schülerverkehr "querzufinanzieren", so RMV-Sprecherin Rau. "Mit sinkenden Schülerzahlen lassen sich solche Finanzierungsmodelle jedoch nicht mehr wirtschaftlich darstellen." VRT-Geschäftsführerin Veronika Zänglein stellt klar, dass es auch weiterhin Schülertransporte geben wird: Das sei eine Pflichtaufgabe der Kreise und der Stadt Trier. Allerdings sei der darüber hinausgehende Busverkehr eine sogenannte freie Selbstverwaltungsaufgabe im Rahmen der finanziellen Leistungsfähigkeit. Mit anderen Worten: Fehlt den Kommunen das Geld, sind sie nicht verpflichtet, ÖPNV zu finanzieren. VRT-Gebiet gesamt: 4923 Quadratkilometer Fläche, 515 596 Einwohner, PKW-Dichte: 542 Fahrzeuge je 1000 Einwohner Stadt Trier: 117 Quadratkilometer Fläche, 104 079 Einwohner, PKW-Dichte: 512 Fahrzeuge je 1000 Einwohner (inklusive Kreis Trier-Saarburg) Kreis Trier-Saarburg: 1091 Quadratkilometer Fläche, 140 979 Einwohner, PKW-Dichte: 512 Fahrzeuge je 1000 Einwohner (inklusive Stadt Trier) Eifelkreis Bitburg-Prüm: 1626 Quadratkilometer Fläche, 95 187 Einwohner, PKW-Dichte: 570 Fahrzeuge je 1000 Einwohner Kreis Bernkastel-Wittlich: 1178 Quadratkilometer Fläche, 112 840 Einwohner, PKW-Dichte: 573 Fahrzeuge je 1000 Einwohner Kreis Vulkaneifel: 911 Quadratkilometer Fläche, 62 511 Einwohner, PKW-Dichte: 559 Fahrzeuge je 1000 Einwohner Fahrgäste im VRT: circa 28,5 Millionen im Jahr (Stand 2009) Bus-/Bahnfahrten je Einwohner: durchschnittlich 55,3 im Jahr (Stand 2009) Haltestellen: circa 2700, davon 53 Bahnhöfe und Bahnhaltepunkte Verkehrsangebot: 140 Linien, davon 6 Bahnlinien, 7 Regiolinien Park & Ride-Plätze: circa 1120 Bike & Ride-Plätze: circa 150 Streckenlänge Schiene: circa 210 KilometerDer Verkehrsverbund Region Trier (VRT) wurde im Januar 2001 gegründet. Getragen wird der Zweckverband von den vier Landkreisen, der Stadt Trier und den zwölf Verkehrsunternehmen in der Region, darunter auch die Bahn. Seitdem gilt in Trier, Trier-Saarburg, im Eifelkreis Bitburg-Prüm, in Bernkastel-Wittlich und im Landkreis Vulkaneifel ein entfernungsabhängiger einheitlicher Tarif. Unabhängig mit welchen Busunternehmen oder ob man mit der Bahn unterwegs ist, braucht man beim Umsteigen kein neues Ticket mehr zu lösen - der VRT hat sich daher das Motto "ein Ticket, ein Tarif" gegeben. Insgesamt gibt es 140 verschiedene Bus- und Bahnlinien in der Region. Im Jahr 2009 wurden insgesamt 28,5 Millionen Fahrgäste in Bussen und Bahnen der Region gezählt, rund 80 Prozent davon sind Schüler. wie Busverkehr: Nach Darstellung des rheinland-pfälzischen Verkehrsministeriums in Mainz liegt die Zuständigkeit für den lokalen Busverkehr bei den Kreisen und kreisfreien Städten. Das Ministerium verweist in diesem Zusammenhang auf das Nahverkehrsgesetz und ergänzt, diese Zuständigkeit schließe auch die Finanzierungsaufgaben ein. Das Land engagiere sich bereits mit rund 60 Millionen Euro pro Jahr aus dem Verkehrsetat zur landesweiten Unterstützung der lokalen Busverkehre, fügt das Ministerium hinzu. Allein für den Ausgleich der preisvergünstigten Schülerbeförderung würden den Unternehmen aus diesem Topf etwa 42 Millionen Euro bereitgestellt. Darüber hinaus erhielten die Kreise und Städte im Land derzeit mindestens 80 Millionen Euro zur Erfüllung ihrer Mobilitätsaufgaben als Schulträger. Das seien 140 Millionen Euro jährlich. wie