3000 Unwetterwarnungen in Gewitterserie seit Ende Mai - mindestens vier Tornados

Offenbach · Sturzregen, Blitz, Donner und Tornados - seit zwei Wochen hält eine Unwetterserie Deutschland in Atem. Schlamm verwüstet ganze Ortschaften, Dutzende Menschen werden vom Blitz getroffen. Auch aus Expertensicht ist die Serie mehr als ungewöhnlich.

(dpa) - Eine beispiellose Serie von Unwettern hat Deutschland in den vergangenen zwei Wochen getroffen. Mindestens vier Tornados bildeten sich, Schlamm und Wasserfluten trafen Städte und Dörfer, Blitze verletzten zahlreiche Menschen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) gab seit Beginn der Serie am 26. Mai 3000 Unwetterwarnungen heraus. „Das ist einmalig, seit es das Warnsystem auf Landkreisebene gibt“, sagte DWD-Sprecher Andreas Friedrich der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. Seit rund 15 Jahren gibt der Wetterdienst Warnungen für einzelne Landkreise heraus.

Blitze trafen Dutzende Menschen - etwa auf Sportplätzen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg oder beim Open Air-Festival «Rock am Ring» . Es gab etliche Schwerverletzte, darunter einen Mitarbeiter des Frankfurter Flughafens, dessen Headset am Dienstagabend auf dem Rollfeld von einem Blitz getroffen wurde. Bei Unwettern und Hochwasser im Südwesten und Niederbayern starben insgesamt elf Menschen.

Sturzregen im Süden und Südwesten brachten Erdrutsche und Schlammlawinen, die mehrere Orte verwüsteten. Die größte Regenmenge in kurzer Zeit traf nach DWD-Angaben Gundelsheim bei Schwäbisch Hall, wo am 29. Mai in weniger als sechs Stunden 122 Liter Regen pro Quadratmeter fielen, mehr als sonst im ganzen Monat.

In der unwetterträchtigen Wetterlage gab es nach DWD-Angaben mindestens vier Tornados in Deutschland. Die Experten gehen inzwischen davon aus, dass es auch am Dienstag in Hamburg ein Tornado war, der schwere Schäden hinterließ. Bestätigt seien drei Tornados am 5. Juni - einer im mittelhessischen Butzbach und zwei in Schleswig-Holstein. Wahrscheinlich seien es deutlich mehr gewesen, es gebe viele Verdachtsfälle, sagte Friedrich, der auch DWD-Tornadobeauftragter ist.

In Hamburg habe der DWD am Dienstagvormittag eine Tornado-Vorwarnung über ein erhöhtes Risiko herausgegeben - das passiere weniger als zehn Mal im Jahr. Tornados sind besonders tückisch, weil sie unberechenbar sind, sich innerhalb weniger Minuten wieder auflösen und eine konkrete Warnung erst Minuten vorher möglich ist, wenn sich der charakteristische Wolkenrüssel schon gebildet hat und auch gesehen wird.

Dass die Zahl der zerstörerischen Wirbelstürme in Deutschland zunimmt, sei nicht nachweisbar, sagte Friedrich. Mit dem Radar seien sie nicht erfassbar. Der „Beobachtungseffekt“ spiele eine Rolle: „Gefühlt gibt es mehr Tornados, weil mehr erkannt werden.“ Mit Handy-Kameras und Webcams würden einfach mehr dokumentiert. Nach DWD-Schätzungen gibt es pro Jahr in Deutschland einige Dutzend Tornados, etwa zehn richten gravierende Schäden an.

Schuld an den vielen Unwettern ist eine Großwetterlage mit der Bezeichnung „Tief Mitteleuropa“. „Ausmaß und Andauer des Unwettergeschehens sind absolut außergewöhnlich“, schrieben DWD-Experten in einem Zwischenbericht. Eine solche Wetterlage habe auch die Jahrhunderthochwasser 2013 in Süddeutschland und 2002 an der Elbe ausgelöst. Nur alle 100 Jahre falle so viel Regen in kurzer Zeit wie in den betroffenen baden-württembergischen Orten.

Ein riesiges Höhentief liegt fast unbeweglich in mehr als fünf Kilometern Höhe über weiten Teilen Mitteleuropas. Weil in der Atmosphäre nur wenig Bewegung ist, ziehen auch die Bodentiefs - nach „Elvira“ folgte „Friederike“ - nur sehr langsam. In der feucht-warmen Luft bilden sich häufig Gewitter, deren Wolken ebenfalls standfest sind und ihren Regen auf eine Stelle abladen. „Tief Mitteleuropa“ komme immer wieder vor, aber die Wetterlage halte sich selten so lange, sagte Friedrich. „Eine Begründung dafür gibt es nicht, das ist Zufall.“

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