5. September: Die falsche Hoffnung und das Drama

Irgendwas stimmt nicht. Das ist die erste Eingebung, die Edwin Klein hat, als er am Morgen des 5. September vom Apartment auf die Straße schaut.

Er sieht Männer, die Straßenschuhe zum Trainingsanzug tragen. "Kein Sportler macht so etwas", denkt er. Es sind keine Olympioniken. Es sind leidlich getarnte Polizisten.
Seit halb fünf Uhr morgens ist im olympischen Dorf nichts mehr wie es war. Auch wenn das den Sportlern und der Öffentlichkeit erst nach und nach bewusst wird. Um diese Zeit klettern acht palästinensische Terroristen - im Trainingsanzug -, über den Sicherheitszaun des Dorfs. In ihren Sporttaschen verbergen sie AK47-Maschinenpistolen und Handgranaten. Sie werden gesehen, aber für spät heimkehrende Sportler gehalten.
Die Palästinenser besetzen das Quartier des israelischen Olympia-Teams. Sie erschießen den Trainer der Gewichtheber, Mosche Weinberger, und Gewichtheber Josef Romano. Neun weitere israelische Sportler nehmen sie als Geiseln.
80 Meter Luftlinie entfernt: Karl-Hans Riehm und Edwin Klein können erst nach und nach zusammenpuzzlen, was in ihrer Nachbarschaft passiert. "Wir haben von unserem Balkon aus auf das israelische Quartier schauen können, dort waren aber die Vorhänge zugezogen", erinnert sich Klein. Zeitlich versetzt habe man das Haus aus anderer Perspektive gesehen: "Die Terroristen konnten sich im Fernsehen anschauen, wo sich die Polizei in Stellung gebracht hat." Das bleibt nicht der einzige taktische Fehler.
Ultimaten verstreichen - und die Unruhe im Dorf wächst. Für Klein sind es lange Stunden der Ungewissheit. "Wir haben mit anderen Sportlern diskutiert, aber wir konnten die Situation nicht einschätzen." Gegen 22.20 Uhr wächst die Hoffnung. "Wir haben am Balkon gestanden, als die Terroristen mit Hubschraubern zum Flughafen Fürstenfeldbruck ausgeflogen wurden. Wir dachten, damit ist das Ganze überstanden", erinnert sich Riehm. Eine gute Stunde später macht sich Erleichterung breit: Das Fernsehen berichtet, alle Geiseln seien entkommen. Alle hätten überlebt. Eine schlimme Fehlmeldung. Zu dem Zeitpunkt ist die Aktion noch nicht vorbei. Am Ende der Nacht sind alle neun Geiseln, fünf Terroristen und ein Polizist tot. AF

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