500 Euro Schmerzensgeld für Hitzeopfer

Die Bahn lenkt ein: Alle Opfer des Hitze-Chaos in ICE-Zügen, die kein Attest wegen Gesundheitsproblemen vorlegen, sollen 500 Euro Schmerzensgeld bekommen. Auch zwei TV-Leser wollen Schadenersatz haben.

Trier/Berlin. Mit einem Reisegutschein will sich Eduard Pelzer aus Irrel (Eifelkreis Bitburg-Prüm) nicht abspeisen lassen. Er fordert von der Bahn eine "angemessene Entschädigung". Er ist eines der Hitzeopfer der Bahn (der TV berichtete). Am 10. Juli ist er zusammen mit seiner Frau und Freunden nach einer Woche Berlin-Urlaub mit dem Zug zurück nach Trier gefahren.

Schon kurz nach der Abfahrt habe der Zugleiter über Lautsprecher mitgeteilt, dass die Klimaanlage aufgrund der hohen Außentemperatur teilweise ausgefallen sei, berichtete Pelzer vor einer Woche dem TV. Nun hat er sich in einem vierseitigen Brief auch an die Bahn gewandt und will Antwort darauf, wie es zu den seiner Meinung nach chaotischen Zuständen in dem ICE gekommen ist. "Es dauerte tatsächlich Tage, bis wir nach zahlreichen auf die Bahnfahrt bezogenen Alpträumen einigermaßen zur Ruhe kamen", schreibt Pelzer. Eine Entschädigung mit Reisegutscheinen findet er "beschämend".

Auch Werner Spang aus Wittlich fordert Schadenersatz "wegen fahrlässiger Körperverletzung". Er war mit seiner Familie am 11. Juli von Berlin auf der Rückfahrt im ICE. Auf über 50 Grad sei die Temperatur in dem Zug gestiegen, schreibt Spang in einem Brief an die Bahn. Und weiter: "Im Zugabteil war die Hitze unerträglich. Meine Frau hatte enorme Kreislaufprobleme und Schwindel, meine jüngste Tochter hat erbrochen und meine älteste hatte Atemnot, da sich kein Fenster bei dieser stickigen Luft öffnen ließ. Ich selbst habe Herzprobleme und konnte es im Abteil nicht aushalten."

Über vier Stunden habe er sich in den Bistro-Wagen gestellt, weil sich nur dort ein Fenster öffnen ließ. Mit über zwei Stunden Verspätung sei der Zug in Koblenz eingetroffen. Auch deshalb fordert Spang Entschädigung und droht mit einem Rechtsstreit.

Fraglich ob die TV-Leser Eduard Pelzer und Werner Spang Erfolg haben werden mit ihren Forderungen an die Bahn. Bahnchef Rüdiger Grube hat gestern vor Verkehrs- und Verbraucherschutz-Experten des Bundestages zugesagt, dass alle, die nach Klimaanlagen-Ausfällen Gesundheitsprobleme hatten, 500 Euro Schmerzensgeld bekommen sollen. Und dies auch ohne Attest versicherte Grube. 300 haben sich schon gemeldet.

"Stabilisierung der Lage"



Wie die Fahrgäste im Zweifel nachweisen, dass ihre Gesundheit in Mitleidenschaft gezogen wurde, sagte Grube nicht. Das Problem mit den überhitzten Zügen sei eingegrenzt. "In den letzten sechs Tagen hat es eine deutliche Stabilisierung der Lage gegeben."

Das Zugpersonal kann mit einer entsprechenden Einstellung des Systems verhindern, dass es überlastet wird und sich selbst abschaltet. Die Anlagen müssen dabei auf eine weniger starke Kühlung eingestellt werden.

Die Suche nach den Verantwortlichen für die Pannenserie ist aber noch in vollem Gange. Sind die Anlagen zu alt, wurden sie vielleicht doch nicht gründlich genug gewartet? Oder ist doch der Hersteller schuld?

In diese Richtung hatte Grube Andeutungen gemacht. Nach dem Treffen mit Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Abgeordneten aller Fraktionen in Berlin wollte er davon aber nichts wissen. "Wir sind mit der Industrie an einem Tisch", sagte er. An mangelnder Wartung habe es garantiert auch nicht gelegen. Das könne die Bahn für alle ICE-Züge lückenlos nachweisen. Dennoch sieht Grube im eigenen Hause Verbesserungsmöglichkeiten. So könnten einzelne Komponenten häufiger ausgetauscht werden. Oder die Klimaanlagen generell in die Generalüberholung der ICE einbezogen werden, was bisher nicht der Fall sei.

Die Bahnindustrie hob unterdessen hervor, sie liefere "keinen Schund". Bei den jetzt beanstandeten Klimaanlagen habe die Bahn selbst erklärt, dass kein Konstruktionsfehler vorliege, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bahnindustrie-Verbandes, Ronald Pörner, der "Berliner Zeitung". Er verwies darauf, dass die Unternehmen für die Züge und Komponenten nur Wartungsempfehlungen geben. Die Wartung selbst werde ausschließlich von der Bahn vorgenommen.

Grube bekräftigte, jede Klimaanlage, die ausfalle, sei eine zu viel. Doch versuchte er zugleich, die Verhältnismäßigkeit herzustellen. Jeden Tag gebe es 800 ICE-Fahrten, macht 11200 in den vergangenen 14 Tagen. Dabei habe es 36 Ausfälle von Klimaanlagen gegeben. "Das ist eine Ausfallrate von 0,34 Prozent", rechnete der Bahnchef vor. Extra Der Fahrgastverband Pro Bahn hat die 500 Euro Schmerzensgeld für Bahnfahrer, die wegen ausgefallener Klimaanlagen der Bahn Gesundheitsschäden erlitten haben, als zu gering bezeichnet. Wer deswegen im Krankenhaus behandelt werden musste, sollte sich mit 500 Euro nicht zufriedengeben, sagte Pro-Bahn-Vorstandsreferent Joachim Kemnitz der "Berliner Zeitung". Die Summe decke nicht einmal die Transportkosten mit dem Krankenwagen. Die Bahn hatte am Mittwoch angekündigt, allen ICE- Fahrgästen, die wegen Hitze im Zug ärztlich behandelt werden mussten, 500 Euro Schmerzensgeld zu zahlen. Mehr als 2200 hitzegeplagte Bahnfahrer erhielten bislang eine Entschädigung in Form von Reisegutscheinen. (dpa)

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