Abgang des Superministers

BERLIN. (has) Er gehört zu der politischen Spezies, die den schlechten Nachrichten immer noch etwas Gutes abgewinnen wollen: Der noch amtierende Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD). Gestern war es erneut so, als er verkünden musste, dass die Regierung ihre Wachstumsprognose mal wieder nach unten korrigiert.

Statt um 1,6 Prozent wird das Bruttoinlandsprodukt nächstes Jahr nur noch um 1,2 Prozent zulegen; in diesem Jahr wird die Wirtschaft darüber hinaus um 0,8 Prozent statt um ein Prozent wachsen. Grund für die Abwärtskorrektur sei der Anstieg der Energiepreise, sagte Clement. Im selben Atemzug schob der SPD-Politiker allerdings hinterher, dass die Wirtschaft ihre Wachstumspause vom Frühjahr endlich überwunden habe. Eine Vielzahl von Indikatoren sprächen dafür: Die Auftragsbücher seien wieder voller, die Stimmung habe sich in den Unternehmen deutlich verbessert - Clement, der Daueroptimist. Voraus ging der Prognose allerdings eine Auseinandersetzung mit Finanzminister Hans Eichel (SPD). Clement wollte die Vorhersage für 2006 nämlich nur um 0,2 Punkte auf 1,4 Prozent reduzieren. "Ohne Streit, alle leben noch", beschrieb er gestern die Einigung mit Eichel. In Wahrheit zog der Mann aus Nordrhein-Westfalen auf den letzten Amtsmetern den Kürzeren, wie schon so oft in den vergangenen drei Jahren. Wann immer Clement hochtrabende Pläne verkündete - beispielsweise die Abschaffung von Feiertagen - wurde er von den eigenen Leuten zur Bauchlandung gezwungen. Es war Clements letzte große Pressekonferenz im Amt, denn Clements Abgang ist unumgänglich. 2002 als Wunderwaffe von Kanzler Gerhard Schöder aus dem Amt des NRW-Ministerpräsidenten nach Berlin geholt, fällt das Ressort Wirtschaft nun in der großen Koalition aus Union und SPD an CSU-Chef Edmund Stoiber, Arbeit übernimmt SPD-Chef Franz Müntefering, Clements Intimfeind. Über die Rückabwicklung seines Hauses - für ihn waren Wirtschaft und Arbeit extra zum "Superministerium" zusammengelegt worden - ist der einstige Star im Kabinett Schröder zwar immer noch sauer, er nimmt es inzwischen jedoch mit Galgenhumor: Bei der Zahl seiner Nachfolger gebe es ja keinen Mangel, scherzte Clement gestern.

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