Abrüstung: Russland und USA verkünden Durchbruch

Es war eine denkwürdige Rede in Prag. Am 5. April letzten Jahres beschrieb der US-Präsident dort seine Vision einer Welt ohne Atomwaffen: Es sei Zeit, so Obama, "die Denkweisen des Kalten Krieges zu beenden." Nun steht er vor einer weiteren historischen Wegmarke.

Washington. Am 8. April, also ein Jahr später, will Barack Obama in der tschechischen Hauptstadt mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew den ersten großen Schritt tun und den Vertrag zur Reduzierung der nuklearen Arsenale beider Weltmächte auf den niedrigsten Stand seit 50 Jahren unterschreiben.

Denn gestern verkündete das Weiße Haus: Das Nachfolgeabkommen für den im Dezember 2009 ausgelaufenen Start-I-Vertrag und das Moskauer Abkommen von 2002 ist unterschriftsreif. "Der Vertrag ist ein Meilenstein und fördert die Sicherheit beider Nationen, und er bestätigt die Führungsrolle Amerikas und Russlands bei den Bemühungen um nukleare Sicherheit", ließ Obama erklären.

Letzte Detailfragen waren gestern in einem Telefonat beider Präsidenten geklärt worden - der 14. persönlichen Unterredung zu diesem brisanten Thema.

Beide Seiten wollen die atomaren Sprengköpfe in ihren Arsenalen nun innerhalb von sieben Jahren von derzeit maximal 2200 auf ein Limit von jeweils 1550 Stück reduzieren. Ebenso soll die Zahl der nuklearen Trägersysteme um gut die Hälfte auf 800 verringert werden. Auch der bisher strittige Punkt der Kontrolle des Abbaus sei gelöst und vereinfacht worden, hieß es. Der Zeitpunkt zur Unterzeichnung des Abkommens in Prag ist von Obama bewusst gewählt worden: Nur wenige Tage später bittet der US-Präsident Staats- und Regierungschefs, darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), zum "Nukleargipfel" nach Washington, wo dann Maßnahmen für eine Verhinderung der Atomwaffen-Verbreitung im Vordergrund stehen sollen.

Doch die neue Nuklearstrategie des Weißen Hauses, zu dessen Kernelement die Vereinbarungen mit Moskau gehören, wirft brisante Fragen auf. Zu diesen zählen: Werden die skeptischen Republikaner im Senat, die - wie die russischen Duma-Abgeordneten - den Vertrag ratifizieren müssen, mitspielen? Und was wird aus den letzten derzeit noch in Deutschland stationierten US-Atomwaffen, deren Abzug ein im Koalitionsvertrag festgehaltenes Herzensanliegen von Bundesaußenminister Guido Westerwelle ist und die - in einer geschätzten Zahl von zehn bis 20 Stück - auf dem Fliegerhorst Büchel (Landkreis Cochem-Zell) in Rheinland-Pfalz unterirdisch lagern sollen?

Wie bei der Gesundheitsreform droht Obama mit seiner ehrgeizigen Abrüstungsoffensive ein Parlamentskrimi. Konservative Volksvertreter machen in den USA kein Hehl daraus, dass sie in den Plänen eine Gefährdung der Sicherheitsinteressen und ein falsches Signal an "Schurkenstaaten" wie den Iran sehen.

Der Abzug der vermuteten Nuklearwaffen aus Deutschland ist dennoch eher unwahrscheinlich. Das US-Energieministerium hat in seinem Haushaltsentwurf für 2011 bis 2015 bereits fast zwei Milliarden Dollar für die Modernisierung der B-61-Atomwaffen eingeplant - also jener Sprengköpfe, die in der Eifel, in Belgien, den Niederlanden, Italien und der Türkei stationiert sein sollen.

Nicht nur US-Republikaner, sondern auch osteuropäische Nato-Mitglieder halten diese Mini-Arsenale mit Blick auf Russland weiter für sinnvoll - und finden Unterstützung bei Nato-Generalsekretär Rasmussen, der darauf hinwies: Man dürfe bei allen Abrüstungsschritten eine "ausgewogene Abschreckung" nicht vergessen. Gut denkbar also, dass ein Verbleib der Atomwaffen in Europa eines der Zugeständnisse Obamas für eine Zustimmung der Konservativen zum Vertrag mit Moskau sein wird.

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