Abrupter Stopp

Endlich war es wieder in Bewegung geraten, das mühsam zusammengezimmerte Gefährt namens Nahost-Friedensprozess - dank derStraßenkarte zum Frieden, der Israelis und Palästinenser vergangene Woche auf internationalen Druck hin zugestimmt hatten. Doch während Palästinenserpräsident Mahmud Abbas gerade einen zaghaften Dialog mit der Hamas-Organisation aufbaute und auf einen Gewaltverzicht der Radikal-Islamisten hinwirkte, verübte Israel einen Mordanschlag auf Hamas-Führer Abdel Asis Rantisi. Er überlebte, doch bei diesem und einem weiteren israelischen Angriff starben an einem Tag sechs palästinensische Zivilisten, mehr als 60 Menschen wurden verletzt. Abbas' Bemühungen im Kampf gegen palästinensische Terroristen sind damit vorerst aussichtslos.Das verheerende Attentat gestern in Jerusalem dürfte nicht die einzige Reaktion auf den "Enthauptungsschlag" gewesen sein. Wie stets nach solchen Aktionen Israels wird sich in den kommenden Tagen wohl eine Blutspur durch das Land ziehen - und die Radikalen dort in ihrer Auffassung bestätigen, die Palästinenser-Führung bekomme die Gewalt allein nicht in den Griff. Schon dreht sich die Spirale der Gewalt munter weiter. Hat Israels Ministerpräsident Ariel Scharon diese Folgen nicht vorhergesehen, als er den Angriff absegnete? Oder wollte er eben diese Eskalation provozieren? Beides beängstigt gleichermaßen.Fakt ist: Das klapprige Fahrzeug Friedensprozess wurde abrupt gestoppt, bevor es richtig angerollt war. Doch noch gibt es Hoffnung. Der internationale Druck auf Israel ist enorm, allen voran kritisierte US-Präsident George W. Bush den Mordanschlag ungewöhnlich scharf. Er war am Zustandekommen der Straßenkarte zum Frieden maßgeblich beteiligt und dürfte nun einiges daran setzen, dass der Plan gelingt. Weiterer Hoffnungsschimmer: Auch in den Palästinenser-Gebieten und in Israel wollen immer mehr Leute den Frieden. Israelische Medien verurteilten die Angriffe gestern beinahe unisono, selbst das rechtsorientierte Blatt "Maariv" titelte: "Warum jetzt?"Auch wenn der Friedensprozess-Wagen wieder steht, er ist nicht in seine Einzelteile zerfallen. Es bedarf erheblicher Kraftanstrengung - doch noch könnte er wieder ins Rollen kommen. i.kreutz@volksfreund.de

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