Ärger über neue Spardiktate

BERLIN. "Richtig ist, dass wir in einer schwierigen Finanz- und Haushaltslage sind", sagt Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD). Schwierig, aber nicht hoffnungslos, glaubt der Hesse. Wenn er sich da mal nicht täuscht. Denn so knifflig wie diesmal war es noch nie für den Kassenwart, einen verfassungsgemäßen Haushalt aufzustellen.

Die Löcher in der Finanzplanung für 2005 werden immer größer, und Eichel trifft jetzt auch noch bei den begonnenen "Chefgesprächen" mit den Ministerkollegen auf Widerstand sondergleichen. Die Ressorts mit den hohen Budgets haben die Spardiktate des notorisch klammen Hans satt. Nicht nur, dass Eichel im kommenden Jahr 9,3 Milliarden Euro an Steuereinnahmen fehlen werden. Es kommt noch schlimmer. Bei den Planungen für den Bundesetat 2005 klafft bereits eine Finanzierungslücke von 18 bis 21 Milliarden Euro, wie aus einem internen Papier des grünen Koalitionspartners hervorgeht. Schuld ist die schwache Konjunktur, sind Ausfälle beim Bundesbankgewinn und der LKW-Maut sowie Mehrausgaben für die Rentenkasse und den Arbeitsmarkt. Schuld hat aber auch die Union, die im Bundesrat den Abbau von Subventionen weitgehend verhindert hat. Minister Eichel steht damit vor einem riesigen Loch, das er irgendwie füllen muss. Aber wie? Der Kassenwart könnte weitere Schulden aufnehmen - was jedoch nach Artikel 115 des Grundgesetzes nicht erlaubt ist, da die Neuverschuldung nicht über den Investitionsausgaben liegen darf. 24 bis 25 Milliarden Euro an Investitionen sind veranschlagt, und erklärtes Ziel von Eichel ist es, die Schulden unter diesem Betrag zu halten. Nach Ansicht von Koalitionären kann er dies allerdings nur noch mit weiteren Privatisierungserlösen in Milliardenhöhe schaffen. Eichel müsste also Anteile des Bundes an Post, Telekom oder Flughäfen veräußern. Fest eingeplant beim Stopfen der Löcher hat er schon zwei Milliarden Euro, die die Ministerien als Minderausgabe beisteuern sollen. Genau deshalb ist aber der Ärger über Eichel wieder riesig, so dass am Ende wohl nur noch ein Machtwort des Kanzlers den Finanzminister retten könnte. Gestern begannen die Chefgespräche, die zwei Wochen dauern sollen und bei denen jedem Ressortchef vorgerechnet wird, welche Subvention in seinem Etat dem Rotstift zum Opfer fallen muss. Als erstes durfte Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) antreten. Das Treffen dauerte jedoch nur eine Stunde, denn Bulmahn ist die einzig Glückliche des Kabinetts: Weil Rot-Grün bei Forschung und Bildung im kommenden Jahr investieren will, soll sie 250 Millionen Euro mehr bekommen - falls die Streichung der Eigenheimzulage gelingt. Dem Vernehmen nach hat Eichel ihr auch zugesagt, sie von der Minderausgabe auszunehmen. Schwieriger wird es für den "Sparminator" heute werden, wenn Verkehrsminister Manfred Stolpe und Verteidigungsminister Peter Struck (beide SPD) anrücken. Der eine soll 488 Millionen Euro an der Minderausgabe übernehmen, der andere 500 Millionen Euro - und beide wollen um jeden Cent kämpfen. Zumal sie auch noch zusätzlich von der Subventionsstreichliste der Ministerpräsidenten Steinbrück (SPD) und Koch (CDU) betroffen sind. Stolpe hat jedenfalls jetzt schon kein Geld mehr, "um noch etwas zu bauen", heißt es aus dem Ministerium. Und Struck fürchtet um die Bundeswehrreform. Nächsten Dienstag kommt dann ein weiterer harterBrocken an die Reihe. Einer, der ebenfalls nichts einsparen, sondern bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe den Kommunen 1,8 Milliarden Euro mehr überweisen will: Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD). Und bei dem muss sich Eichel warm anziehen, schließlich ist er für cholerischen Anfälle bekannt.

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