Alle wollen Cattenom abschalten, aber keiner kann es

Trier · In Sachen Cattenom sind sich mittlerweile fast alle Politiker der Region und des Landes einig: Abschalten. Doch ihre Forderung verhallt wirkungslos. Ihnen fehlt die Kompetenz, darüber zu verhandeln, und die Bundesregierung hält sich offenbar raus.

Trier. Wie beurteilt das Bundesumweltministerium die Gefahren- und Sicherheitslage des Kernkraftwerks Cattenom? Wie beurteilt das Ministerium das Ergebnis des Stresstests der Anlage? Wird es Gespräche seitens des Ministeriums mit französischen Regierungsmitgliedern geben über Cattenom?
"Kein Kommentar "aus Berlin


Wer dem Bundesumweltministerium solche Fragen stellt, stößt auf eine Mauer des Schweigens. "Kein Kommentar", heißt es dazu aus Berlin. Man verweist auf die 1976 gegründete Deutsch-Französische Kommission (DFK). Sie sei, nachdem Pläne bekannt geworden waren, dass Frankreich an die Grenze zu Deutschland Atomkraftwerke bauen will, eigens für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen geschaffen worden, verlautet aus dem Ministerium. In diesem Gremium, das einmal im Jahr tagt, werde auch über Störfälle in Cattenom gesprochen. Daher sei die Bundesregierung über das Geschehen in Cattenom informiert. Eine Bewertung der Sicherheitslage oder der Ergebnisse des kürzlich vorgelegten Stresstests von Cattenom gibt es aber seitens des Bundesumweltministeriums nicht. "Es ist nicht unsere Aufgabe, eine explizite Bewertung vorzunehmen", machte bereits im September vergangenen Jahres die parlamentarische Staatssekretärin im Ministerium, Katharina Reiche im Bundestag klar. Anlass war eine Anfrage des Trie rer SPD-Bundestagsabgeordneten Manfred Nink, der eben auch wissen wollte, wie die Bundesregierung die Sicherheit von Cattenom bewertet. Die Antwort, so der Abgeordnete, sei wie "ein Schlag in die Gesichter der Bürger" gewesen.
Doch seit Jahren drückt sich diese Regierung um eine klare Position dazu. In einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen, darunter auch die damalige Eifeler Bundestagsabgeordnete und heutige rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken, im August 2010 wurden die bisherigen Zwischenfälle in Cattenom als Betriebsstörungen abgetan, von Sicherheitsrisiko ist darin keine Rede.
Nach dem kürzlich vorgelegten Stresstest und dem vernichtenden Urteil des deutschen Beobachters, Dieter Majer über die Anlage (veraltete Technik, verrostete Rohre, nicht mehr genehmigungsfähig) und den allein in diesem Jahr schon aufgetretenen acht Pannen in den vier Blöcken des Atommeilers ist die Forderung nach einer sofortigen Stilllegung der Anlage wieder lauter geworden. Luxemburg, das Saarland und Rheinland-Pfalz haben vor zwei Wochen übereinstimmend gefordert, Cattenom vom Netz zu nehmen. Nur dann könne es endgültige Sicherheit geben. Auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck sprach sich dafür aus, betonte aber im Gespräch mit unserer Zeitung, dass er nur "begrenzten" Einfluss auf die Entscheidung Frankreichs habe. Die rheinland-pfälzische Energieministerin Eveline Lemke erneuerte am vergangenen Freitag ihre Forderung: "Cattenom versetzt uns in Alarmstimmung. Die Pannenstatistik der letzten Wochen spricht für sich. Der Weiterbetrieb des Atomkraftwerks ist untragbar, weil die Sicherheit einer ganzen Region davon abhängt."
Betroffene Länder machen Druck


Daher gilt als sicher, dass die beiden Anträge von SPD und Grünen und von der CDU zur sofortigen Abschaltung von Cattenom eine Mehrheit im Parlament finden werden. Sowohl die Regierungsparteien SPD und Grüne als auch die Opposition fordern, dass die Landesregierung sich bei der Bundesregierung für Gespräche mit der französischen Regierung über die Stilllegung der Anlage an der französischen Obermosel einsetzt. Der Antrag der CDU umfasst neben Cattenom auch das Kernkraftwerk im belgischen Tihange, rund 140 Kilometer von Prüm entfernt und das mögliche atomare Endlager im französischen Bure, rund 200 Kilometer von Trier.
Auch Manfred Nink fordert: "Die Bundesregierung darf sich nicht länger weigern, bei den französischen Amtskollegen die Abschaltung von Cattenom zufordern. Die Kanzlerin und Umweltminister Röttgen müssen endlich im Interesse der Bürger in der grenznahen Region handeln und ihre Sorgen ernst nehmen. Das ist Aufgabe und Pflicht einer deutschen Bundesregierung."
Doch nach allem, was dazu derzeit aus Berlin verlautet, wird Cattenom keine Chef-Sache werden. Energiepolitik sei eine nationale Angelegenheit, man schreibe Frankreich nicht vor, wie es mit einzelnen Atomanlagen umzugehen habe, genauso wie man sich verbitte, dass andere Länder sich in die Energiedebatte in Deutschland einmischen, lautet offenbar die Regierungslinie. Selbst eine Bewertung des Stresstests von Cattenom wird es vermutlich vom Bundesumweltministerium nicht geben.
In einer Mitteilung von Anfang Januar verweist man darauf, dass die von der EU beauftragten Tests noch nicht abgeschlossen seien. Derzeit laufen in dem EU-Staaten Überprüfungen der Tests, dabei geht es wohl vor allem um den Terrorschutz der Anlagen.

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