Alle wollen was vom Wald

Bitburg/Morbach/Mainz · In Rheinland-Pfalz gibt es zu viele Sägewerke für zu wenig Fichtenholz. Daher passt es der krisengeschüttelten Holzindustrie gar nicht, dass der Klimawandel ihren Lieblingsbaum weiter zurückdrängt. Während die einen versuchen, das nötige Holz dann eben aus Privatwäldern zu bekommen, plant das Land zehn Prozent des Staatsforsts in Urwald zu verwandeln. Kurz: Es knirscht im Wald.

Bitburg/Morbach/Mainz. Der deutsche Wald. Er ist Protagonist von Märchen und Sagen, Sinnbild romantischer Sehnsucht. Er ist das Zuhause von Fingerhut, Specht und röhrendem Hirsch. Energielieferant. Seelenschmeichler. Jagdrevier. Standort für Riesenwindräder. Klimaregulator. Kulisse fürs Joggen. Holzerzeuger. Geldquelle. Viele wollen von ihm ganz Verschiedenes. Das war schon immer so und führt seit jeher zu Konflikten. Doch sind mit dem Klimawandel, der Energiewende, massiver Lobbyarbeit und einem globalen Holzmarkt neue Herausforderungen hinzugekommen.
"Es wird schwieriger, die konkurrierenden ökonomischen, ökologischen und soziokulturellen Ansprüche zu erfüllen", sagt Hans-Dietrich Hoffmann von der rheinland-pfälzischen Forstverwaltung Landesforsten, die genau das als Ziel verfolgt: Sie will, dass der Wald den höchstmöglichen gesellschaftlichen Nutzen bringt - sowohl heute als auch für künftige Generationen. Wie schwierig diese Aufgabe ist, zeigt schon ein kleiner Streifzug durch die rheinland-pfälzische Holz- und Forstwirtschaft.

Die Krise der Sägewerke
Neulich habe er sein lange vermisstes Diktiergerät im Auto wiedergefunden, sagt Reijo Ranki, Geschäftsführer der Karl Decker GmbH in Hochscheid, einem der größten Sägewerke im Land. Darauf fand er: ein Interview, das er Journalisten einst gegeben hatte. So voller Optimismus, dass ihm beim Zuhören schlecht wurde.
"Die Stimmung ist sehr gedrückt", sagt der aus Finnland stammende Manager, der kürzlich Mitarbeiter entlassen musste. Es waren 96. Jetzt sind es keine 90 mehr. Das Problem: Es gibt in Rheinland-Pfalz zu viele Sägewerke für zu wenig Nadelholz. "Wir konnten unsere drei Sägelinien noch nie komplett betreiben", sagt Ranki. Theoretisch könnte sein Betrieb eine halbe Million Festmeter Nadelholz im Jahr verarbeiten. Doch dazu kommt es nicht.
Die Preise für ungesägte Fichten, Kiefern oder Lärchen - das sogenannte Rundholz - sind wegen des knappen Angebots vor Ort recht hoch. Nur können die Betriebe diese Kosten auf dem globalisierten Markt nicht an ihre Kunden weitergeben. "Große Mengen Schnittholz wurden vor der Hypothekenkrise in die USA exportiert", sagt Ranki. Dann brach der Markt zusammen. Ein globaler Markt, der dann brummt, wenn viel gebaut wird. Und jetzt gibt es einfach zu viele Sägewerke. Wie viele andere geht Ranki davon aus, dass sich das ändern wird. Und wie viele andere hofft er, dass sein Unternehmen diese Krise überlebt.

Der Klimawandel
Die heimischen Sägewerke könnten dreimal mehr Nadelholz verarbeiten, als Rheinland-Pfalz produziert. "Das ist ein riesiges Problem", sagt Hans-Dietrich Hoffmann von Landesforsten. Die Forderung des Verbands der rheinland-pfälzischen Säge- und Holzindustrie nach mehr Fichten - der Verband will mindestens 50 Prozent Nadelwald - wird dennoch nicht in Erfüllung gehen. Im Gegenteil. Der Klimawandel wird den (nicht-heimischen) Baum verdrängen. Schon jetzt ist es deutlich wärmer als vor wenigen Jahrzehnten. Und um weitere vier Grad soll die Temperatur in Rheinland-Pfalz bis zum Ende des Jahrhunderts steigen. Nicht nur wegen der sich ausbreitenden Schädlinge, sondern auch wegen der Trockenheit hat die flach wurzelnde Fichte in Rheinland-Pfalz da wenig Zukunft. Bis Ende des Jahrhunderts wird es sie Experten zufolge nur noch in den höheren Lagen geben. Ihr Anteil im Staatswald wird von derzeit 22 auf neun Prozent schrumpfen. Schon jetzt versucht die Holzwirtschaft, alle Reserven zu nutzen. Am schwierigsten ist es, an jene heranzukommen, die in den oft sehr kleinen und entlegenen Waldparzellen stehen, die Privatleuten gehören.

Der Schatz im Privatwald
Der Greifarm der Erntemaschine umfasst den Stamm. In die männliche Zuschauermenge kommt Bewegung, denn jeder der 60 an dem Modellprojekt interessierten privaten Waldbesitzer will den Moment erleben, in dem die Fichte wie ein Streichholz abknickt, ehe der mächtige Harvester sie einsaugt und wie Spargel schält.
Diese Szene spielt 2005 unweit des Eifeldorfes Schleid, wo die "Teststrecke" von "Eifel Wald und Holz aktiv" lag. Ein rheinland-pfälzisches Modellprojekt, das angesichts des steigenden Holzbedarfs das Ziel hatte, die in Tausenden kleinen Privatwäldern schlummernden Holzreserven für die regionale Industrie nutzbar zu machen. Die Idee: Die Waldbesitzer schließen sich zusammen, um ihre Bäume gemeinsam gewinnbringend vermarkten zu können. Das Modell ist längst in Serie gegangen: 2007 gründete der 1800 Mitglieder starke Waldbauverein Bitburg eine entsprechende GmbH, die inzwischen mit ihrem Prümer Pendant zusammen 160 000 Festmeter Holz im Jahr verkauft. Insgesamt gelangen aus rheinland-pfälzischen Privatwäldern 500 000 Festmeter auf den Markt. Machbar wären laut Landesforsten doppelt so viele. Ein schlummernder Schatz also angesichts der Prognosen, die auch für Rheinland-Pfalz einen Holzmangel voraussagen.

Der Naturschutz
Ebenso wenig wie der Klimawandel ist auch der Naturschutz kein guter Freund der Holzindustrie. 2007 hat die Bundesregierung die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt verabschiedet. Diese sieht vor, dass sich bis 2020 fünf Prozent der gesamten deutschen Waldfläche beziehungsweise zehn Prozent des öffentlichen Waldes natürlich entwickeln können. Sprich: nicht mehr genutzt werden. Rheinland-Pfalz will das umsetzen. Während die Industrie dagegen wettert, sagt Hans-Dietrich Hoffmann von Landesforsten: "Wir können das ohne größeren Verzicht leisten". Rund 20 000 Hektar Staatswald sollen der Natur überlassen werden. Etwa die Hälfte davon ist das jetzt schon - entweder, weil es sich um Naturschutzgebiete oder Biosphärenreservate handelt oder, weil das Gelände so steil ist, dass es ohnehin nicht genutzt werden kann. Die andere Hälfte soll größtenteils in dem geplanten Nationalpark liegen (gegen den es daher ebenfalls reichlich Protest gibt).

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