Alles andere als ein Sieger

KREUTH. Im CSU-Machtkampf halten führende Politiker aus Partei und Fraktion den Druck auf Ministerpräsident Edmund Stoiber aufrecht, um eine schnelle Lösung zu erzwingen. Stoiber erhielt zwar gestern eine Gnadenfrist, aber er sieht alles andere als wie ein Sieger aus.

Die Abfahrt von Edmund Stoiber aus dem beschaulichen Wildbad Kreuth gestaltet sich so wie die gesamte Klausur der CSU-Landtagsfraktion: chaotisch. Es ist zwei Uhr morgens, die Journalisten warten schon seit einiger Zeit unter sternenklarem Bayernhimmel und bei Minustemperaturen auf den König, dessen Untertanen sich nicht getraut haben, ihn kräftig vom Thron zu stoßen. "Stoiber ist schon weg", ruft plötzlich einer. Tumultartige Szenen spielen sich ab, der Ärger ist groß. Dabei wollen seine Sprecher nur verhindern, dass der Parteichef bei einem kurzen Presse-Statement ungünstig in der Eingangstür steht.Nichts läuft in geordneten Bahnen

Doch plötzlich ist der weißhaarige Hüne da - wie Phönix aus der Asche. Typisch Stoiber. Typisch CSU. Bei der Klausurtagung der Landtagsfraktion hat man nie den Eindruck, irgendetwas läuft in geordneten Bahnen; oder irgendwer verrät wirklich, wie die Stimmung ist in der hintersten Ecke des Kreuther Komplexes, im extrem abgeschirmten Seminarraum 6 im Keller. Hinter allem muss man Taktik und Kalkül vermuten. Immer wieder werden aus der entscheidenden Sitzung Stoibers mit den 124 Abgeordneten neue Wasserstandsmeldungen lanciert. Das reicht von "eisiger Stimmung" über "konstruktive Debatte" bis hin zu: "Eine Mehrheit stellt die Gemeinsamkeiten mit Stoiber dar." 60 Wortmeldungen gibt es, "viele, die sonst nix sagen, lassen Dampf ab", berichtet ein CSU-Abgeordneter. Im Laufe der Nacht verfestigt sich bei den ausharrenden Journalisten allerdings der Eindruck: Es wird keinen Putsch geben, Edmund Stoiber erhält eine Gnadenfrist mit der Möglichkeit, sich am eigenen Schopfe aus dem Schlamassel zu ziehen. Für mehr fehlt der CSU der Mut. Während der Debatte der Abgeordneten schreibt der CSU-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Joachim Hermann, bereits an der Erklärung, die er kurz vor 1 Uhr nachts abgeben wird. Abstimmen lässt er darüber nicht. Am Mittag hatte Hermann noch verkündet, Stoiber habe "die Tür einen Spalt breit" aufgemacht für einen Wechsel. Inzwischen ist auch Hermann eingeknickt - der Mann mit der basslastigen Stimme findet weit und breit keinen Königsmörder. Und ihm selbst fehlt das Zeug zu höheren Ämtern. Es sind 13 Zeilen, die er an die Presse verteilen lässt, in Fettschrift, auf Recyclingpapier gedruckt. Ohne CSU-Logo, ohne Briefkopf. Drei Absätze. Es ist die Verneigung vor Edmund Stoiber, der während des Sitzungsmarathons wie ein Löwe dafür gekämpft hat, die Entscheidung über seine erneute Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2008 einem Parteitag im September zu überlassen. Stoiber will sich bis dahin bei zahlreichen Regionalkonferenzen der Basis stellen. Er empfindet das als Trumpf. Manche in der CSU hoffen aber, dass der Parteichef bei diesem Spießrutenlauf von den frustrierten Mitgliedern mürbe gemacht wird - und vielleicht doch noch freiwillig aufgibt. Es gibt keinen Landtagsabgeordneten in Kreuth, der nicht von der katastrophalen Stimmung in seinem Wahlkreis spricht. Anfang 2008 sind in Bayern Kommunalwahlen, viele Funktionäre fürchten um ihre Pöstchen. "Wir, die Mitglieder der CSU-Landtagsfraktion, sprechen unserem Ministerpräsidenten das Vertrauen aus", liest Hermann vor. Als Signal an die Kritiker betont er, dass die Frage der Spitzenkandidatur "offen" sei. Anschließend sagt er fast dreist: "Es ist wirklich kein Bruch in der Fraktion entstanden." Die Klausurtagung war von nichts anderem geprägt als von der Spaltung der CSU in Gegner und Freunde des Ministerpräsidenten. Und viele Abgeordnete wissen nun nicht, wie sie den Fraktionsbeschluss der eigenen Basis verkaufen sollen nach all dem Theater: "Schlechter hätte man es nicht machen können", sagt einer. Intern regiert deshalb jetzt die Angst vor weiteren Grabenkämpfen zwischen den unterschiedlichen Lagern - bis September ist es noch lang hin.

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