Alles noch mal in die Waschmaschine

BERLIN. Eigentlich wollte Wolfgang Clement gestern beim Jahrestreffen der Arbeitgeberverbände (BDA) über die Modernisierung der Arbeitswelt referieren. Doch dann kam ein Sitzungstermin im Vermittlungsausschuss dazwischen.

Seit rund 14 Tagen brüten zwei Arbeitsgruppen aus Vertretern von Bundestag und Bundesrat über fast ein Dutzend Gesetzentwürfe, die von der Steuerreform und vom Arbeitsmarkt, aber auch vom Subventionsabbau und der Handwerksordnung handeln. Christine Scheel, die Finanzexpertin der Grünen, die von Anfang in den Runden mit dabei war, meinte gestern ernüchternd: "Mein Eindruck ist, dass die Union sich vom Vorziehen der Steuerreform verabschiedet hat und nun krampfhaft Argumente sucht, der Regierung die Schuld in die Schuhe zu schieben". Dabei sah es in der Vorwoche noch so aus, als hätten sich Arbeitgeberlager und Gewerkschaften auf mehr Flexibilität in der Tarifautonomie verständigt. Von dieser Einigung hatte die Union ihr Verhalten zur Steuerreform abhängig gemacht. Ihr Gesetzentwurf, der ebenfalls im Vermittlungsausschuss liegt, sieht so genannte betriebliche Bündnisse vor, um die Beschäftigungsaussichten in den Unternehmen zu verbessern. Auch der Kanzler forderte bereits eine entsprechende Einigung der Tarifvertragsparteien. Ansonsten, so Gerhard Schröder damals, müsse der Gesetzgeber handeln. Die Gewerkschaften witterten in diesen Forderungen dagegen von Anfang an das Ende des Flächentarifvertrages. Und so suchten sie in diskreten Gesprächen mit den Arbeitgebern die drohenden gesetzlichen Öffnungsklauseln aus der Welt zu schaffen. Nun sind die Fronten verhärtet. Bei der BDA glaubt niemand so recht, dass es noch zu einer freiwilligen Regelung kommt. Und zu einer gesetzlichen schon gar nicht. Die meisten Abgeordneten der SPD sind schließlich Gewerkschafter. Auch DGB-Chef Sommer warb auf dem Arbeitgebertag der BDA noch einmal mit Nachdruck für die Tarifautonomie. Dagegen machte Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) deutlich, dass das Vermittlungsverfahren ohne einschneidende Veränderungen im Arbeitsrecht zum Scheitern verurteilt ist. Alles nur Poker? Glaubt man den Fachpolitikern der Koalition, dann liegt in der Arbeitsgruppe Finanzen und Steuern sehr wohl ein Konzept auf dem Tisch, das eine komplette Gegenfinanzierung für die Steuerausfälle der Länder im Umfang von 6,3 Milliarden Euro vorsieht. Am kommenden Mittwoch will der Vermittlungsausschuss zum Ergebnis kommen. Gut möglich, dass die Union wegen der gescheiterten Einigung zum Tarifrecht weiter die "Preise" hoch treibt. "Am Ende", so prognostizierte die Grüne Christine Scheel, "wird alles noch mal in die Waschmaschine geworfen. Und die Union sieht zu, dass sie trocken raus kommt".

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