"Allianz für Familie"

BERLIN. In schöner Regelmäßigkeit entdecken alle Parteien die Familie. Aber der praktische Nutzen lässt weiter auf sich warten. Nach einer aktuellen Studie im Auftrag des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung ist der Kinderwunsch in Europa nirgendwo so gering ausgeprägt wie in Deutschland.

Rund 15 Prozent aller Frauen und fast 23 Prozent aller Männer wollen sogar komplett auf Nachwuchs verzichten. Die Ursachen reichen von dürftigen Betreuungsangeboten bis zur grundsätzlichen Einstellung gegenüber Kindern. Im Zentrum der Kritik steht aber auch immer wieder eine mangelnde Familienfreundlichkeit am Arbeitsplatz. So gehört Deutschland zu jenen vier europäischen Staaten, in denen Betroffene die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf besonders häufig als Ursache für ihre Kinderlosigkeit anführen. Dabei hatten Wirtschafts-Lobbyisten wie DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun schon vor zwei Jahren erklärt: "Unternehmen, die heute Trendsetter in familienorientierter Personalpolitik sind, werden morgen Gewinner im Wettstreit um qualifizierte Fachkräfte sein." Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) will diesen Ball jetzt aufnehmen. "Familienfreundlichkeit soll zu einem Managerthema und zu einem Markenzeichen der deutschen Wirtschaft werden", versprach die CDU-Politikerin gestern in Berlin. Im Rahmen der Initiative "Allianz für Familie" hat ihr Ressort 1,5 Millionen Euro zur Förderung eines Netzwerks familienfreundlicher Unternehmen eingeplant. Die Hälfte des Geldes kommt aus dem europäischen Sozialfonds. Das Sonderprogramm soll Personalchefs ansprechen, die dann auf eine Fülle betriebswirtschaftlich durchgerechneter Konzepte für mehr Familienfreundlichkeit im Betrieb zurückgreifen können. "Die Vorteile liegen auf der Hand", meinte von der Leyen, "besser motivierte Mitarbeiter, geringere Fehlzeiten und Fluktuation sowie eine höhere Attraktivität als Arbeitgeber." Bislang halten nur etwa 30 Prozent der Manager ein kinderfreundliches Umfeld für wichtig. Der Nachholbedarf lässt sich dann auch an einer Untersuchung des Demoskopie-Instituts in Allensbach ablesen: Fast 90 Prozent der 16 bis 44-jährigen Deutschen stellen den Unternehmen hier eher schlechte Noten aus. Beinah jeder dritte Befragte sagt, für seinen Arbeitgeber sei Familie Privatsache, die sich nicht im Job bemerkbar machen dürfe. Jeder fünfte berichtet gar, in seiner Firma würden ausdrücklich Leute bevorzugt, die keine Kinder oder keine mehr haben wollten. Aber wodurch zeichnet sich ein familienfreundlicher Betrieb aus? Ganz oben auf der Wunschliste stehen flexiblere Arbeitszeiten. Danach kommen die Möglichkeit eines leichteren beruflichen Wiedereinstiegs sowie Sonderurlaub bei Erkrankungen des Kindes. Für mehr als die Hälfte der Befragten ist aber auch eine betriebseigene Kinderbetreuung wichtig. Dieser Wunsch lässt sich schon wegen zu geringer Betriebsgrößen nicht voll verwirklichen. Solche Unternehmen könnten sich um eine Vermittlung von Plätzen in vorhandenen Einrichtungen kümmern oder mit einer Kita kooperieren. Dass sich Familienfreundlichkeit nicht nur in Mega-Konzernen rechnet, hatte das Prognos-Institut im Jahr 2003 herausgefunden: Bei einem Modellbetrieb mit 250 Beschäftigten (die Hälfte davon sind Frauen) ermittelten die Wissenschaftler Kosten für die Elternzeit in Höhe von rund 100 000 Euro. Unter familienfreundlichen Bedingungen war es nur etwa die Hälfte.

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