Alter Europäer, neuer Freund

NEW YORK. Tauwetter - aber bitte ohne Gesichtsverlust: Vor dem Treffen zwischen US-Präsident George W. Bush und Bundeskanzler Gerhard Schröder am Mittwoch in New York deutet sich eine Annäherung an.

Als vor einem halben Jahr die US-Militärs die Einnahme der irakischen Hauptstadt feierten, zeigte sich das Weiße Haus in Champag-nerlaune. Dabei gab es so manche abfällige Bemerkung gegenüber jenen von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld so gescholtenen "alten" Europäern. Man werde nun "Frankreich strafen, Deutschland ignorieren und den Russen vergeben", vertraute George W. Bushs Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice damals Journalisten an. Sechs Monate und zahlreiche im Irak getötete US-Soldaten später haben sich für die US-Regierung die Prioritäten geändert. Wenn am Mittwoch in New York der US-Präsident und Bundeskanzler Gerhard Schröder erstmals seit eineinhalb Jahren wieder zu einem ausführlichen persönlichen Gespräch aufeinander treffen, gilt dies in Washington auch als Zeichen eines vollzogenen Kurswechsels. Zwar stehen der Texaner und sein Kabinett weiter unversöhnlich den Franzosen gegenüber, die man als größten Bremsklotz für die US-Strategie im Irak sieht. Doch nun sei es an der Zeit, "den Deutschen zu vergeben und die Russen zu ignorieren", stellte ein hochrangiger Regierungsbeamter fest. Das Treffen in New York soll eine Tauwetter-Periode zwischen den einst wichtigsten transatlantischen Partnerländern einleiten, bei der es aber Bush wie auch Schröder ebenso darum gehen dürfte, innenpolitisch keinen Gesichtsverlust zu erleiden. Um die Atmosphäre während der zunächst auf 30 bis maximal 45 Minuten festgesetzten Runde, an der auch US-Außenminister Colin Powell und sein Kontrapart Joschka Fischer teilnehmen werden, im Vorfeld zu entspannen, hatte Washington am Freitag offiziell eine Maximalforderung fallen lassen: Man erwartet kein militärisches Engagement der Deutschen im Irak mehr, sondern will sich dankbar für das zeigen, was der Kanzler angeboten hat: eine Ausbildung irakischer Soldaten und Polizisten in Deutschland und eine stärkere Rolle in Afghanistan, um dort die US-Truppen zu entlasten.Persönliche Annäherung unwahrscheinlich

Bush erwartet von Schröder aber auch eine Unterstützung des amerikanischen UN-Resolutionsentwurfs - und damit auch eine Absetz-Bewegung gegenüber Paris. Dass in diesem Punkt jedoch Bush und Powell eine harte Nuss zu knacken haben, konnten sie letzte Woche einem Gastbeitrag Schröders für die "New York Times" entnehmen, in dem dieser erneut die deutsche Kernposition umrissen hatte, die der französischen nahe kommt: Die Uno müsse die zentrale Rolle im Irak spielen, und eine multinationale Truppe benötige die Legitimation der Weltorganisation. Die Kernfrage lautet also: Wird es Bush und Schröder trotz innenpolitischer Festlegungen gelingen, eine gemeinsame Vision für den Irak zu entwickeln? Ob es zwischen Bush und Schröder auch eine persönliche Wiederannäherung gibt, halten Kenner des Texaners für eher unwahrscheinlich: Der US-Präsident gilt als extrem nachtragend.

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