Am Nürburgring fährt der Besenwagen

Besenwagen an der Rennstrecke: Der Staatsanwalt, der Rechnungshof, externe Wirtschaftsprüfer und ab Oktober auch ein Parlamentarischer Untersuchungs-Ausschuss beleuchten sämtliche Vorfälle beim desaströsen Millionenprojekt "Nürburgring 2009".

Mainz. Dementis gehören zum politischen Geschäft wie der Korkenzieher zum Wein. Sie erfolgen automatisch, wenn unliebsame Dinge ans Tageslicht kommen und Verantwortliche damit konfrontiert werden. Zunächst wird nichts eingeräumt, sondern alles zurückgewiesen. Wochen später kommt dann doch kleinlaut die Bestätigung.

Rauswurf offenbar von langer Hand geplant



So war es bei den offenbar betrügerischen Geschäftspartnern, die der gestrauchelte Ex-Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) als hoch seriös bezeichnet hatte, so war es bei den auf weit über 300 Millionen Euro explodierten Baukosten - und so dürfte es auch bei der Ablösung von Ring-Hauptgeschäftsführer Walter Kafitz sein.

Während der neue Aufsichtsratschef der Nürburgring GmbH, der ehemalige NRW-Wirtschaftsminister Ernst Schwanhold, am Donnerstagabend im Fernsehen abwiegelte und Wirtschaftsminister Hendrik Hering, der sich bei der Frage auffallend unwohl fühlte, um Worte rang, war die Entscheidung nach TV-Informationen längst gefallen. In seiner Sitzung am Dienstagabend beschloss das Gremium, dass Kafitz gehen muss. Vollzogen werden soll das aber anscheinend erst, wenn das Gutachten der externen Wirtschaftsprüfer vorliegt und geklärt ist, ob und wie man den Nürburgring-Chef möglicherweise regresspflichtig machen muss für das, was beim Bau des neuen Freizeit- und Geschäftszentrums alles schiefgelaufen ist.

Offenbar ist der Rauswurf von Kafitz bereits von langer Hand vom obersten Strategen in der Staatskanzlei, Martin Stadelmaier, und Ministerpräsident Kurt Beck geplant worden. Denn ohne ersichtlichen Grund wurde der Vertrag des Hauptgeschäftsführers erst im März vorzeitig und zu höheren Bezügen verlängert, als der Motor bei diesem Prestigeprojekt der Landesregierung längst qualmte. Damit ergäbe sich eine höhere Abfindung, wenn Kafitz ausscheidet, und dessen Absturz wäre weich abgefedert.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Koblenz. Obwohl es die Nürburgring GmbH war, die in Bezug auf die geplatzte Privatfinanzierung mit dem nie aufgetauchten amerikanischen Großinvestor Unterlagen an die Behörde weiterreichte und damit die Ermittlungen erst ins Rollen brachte, gaben sich die Strafverfolger damit nicht zufrieden. Anstatt weitere Dokumente anzufordern, ließen sie neben den Wohn- und Firmenräumen der mutmaßlichen Betrüger auch die Geschäftsräume der Nürburgring GmbH durchsuchen. "Das Misstrauen ist wohl groß, und das ist gut so", kommentiert der Eifeler CDU-Abgeordnete Michael Billen. Es müsse "dringend und umfassend aufgeräumt werden". Dieses Aufräumen könnte dazu führen, dass noch weitere Verantwortliche von der Piste schlittern. Schon lassen die Grünen verlauten, der neue Finanzminister Carsten Kühl trage als ehemaliges Aufsichtsratsmitglied der Ring GmbH "genau wie sein Vorgänger Deubel die volle Verantwortung für die Verschwendung von Steuergeldern". Die Grünen fordern auch die Entlassung des kaufmännischen Ring-Geschäftsführers Hans Lippelt.

Die CDU stichelt: "Wo stecken Sie, Herr Beck?" Der Regierungschef tauche "mit jeder Million, die im Eifelsand versickert, tiefer ab". Beck müsse "sagen, wie es weitergeht".

Einen Fingerzeig für das weitere Vorgehen lieferte am Freitag Wirtschaftsminister Hendrik Hering.

Es werde auch darüber nachgedacht, neue Gesellschafter für die Nürburgring GmbH zu gewinnen, sagte er.

Derzeit gehört sie zu 90 Prozent dem Land und zu zehn Prozent dem Kreis Ahrweiler - und ist damit komplett in öffentlicher Hand.

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