Am Parlament führt kein Weg vorbei

TRIER. Europäisches Parlament: Was ist das? Welche Funktion und welche Macht die Abgeordneten haben, die wir am 13. Juni wählen, weiß kaum jemand. Dabei fußen heute etwa 90 Prozent aller wirtschaftlich wichtigen nationalen Gesetze auf Entscheidungen aus Brüssel und Straßburg.

FUNKTION: Neben Kommission, (Minister-)Rat, Europäischem Gerichtshof und Europäischem Rechnungshof ist das Europäische Parlament (EP) das fünfte Organ der Europäischen Union - und als einziges durch eine Wahl direkt vom Bürger legitimiert. Dabei funktioniert das EP nicht wie der Bundestag, weil es keine europäische Regierung gibt, die die Abgeordneten einsetzen und kontrollieren. Folglich existieren auch keine Lager der Opposition oder der Regierung. Als Vertreter der europäischen Bürgerinteressen bildet das Parlament den Gegenpart zum Ministerrat, der Staatenkammer.AUFGABEN: Die Rechte des EP konzentrieren sich auf die Gesetzgebung, den Haushalt, die Kontrolle und die Außenbeziehungen. Mussten die Parlamentarier in den ersten Jahren nur "angehört" werden, wurden ihre Rechte im Laufe der Zeit stark ausgedehnt. Seit Anfang 2003 der Nizza-Vertrag inkraftgetreten ist, darf das EP in 44 Politikfeldern mitentscheiden. Und sollte eine europäische Verfassung verabschiedet werden, könnte sich die Zahl auf rund 70 Politikfelder ausdehnen. Der Rat hat das "letzte Wort" bei den so genannten obligatorischen Ausgaben, die fast nur den Agrarbereich umfassen und 50 Prozent der Gesamtausgaben ausmachen. Das EP hat das "letzte Wort" bei den nicht obligatorischen Ausgaben, also den übrigen Ausgaben der EU.MACHTFAKTOR: Zwar rangieren die Europa-Parlamentarier meist im Schatten der EU-Kommission oder des Ministerrates, doch steht ein Machtzuwachs für die Abgeordneten außer Frage. Nach wie vor kann der Rat den Willen des Parlamentes übergehen. Doch aus Anhörung ist Mitgestaltung geworden, weil das Parlament bei etwa drei Vierteln der EU-Gesetzgebung gleichberechtigter Partner ist. Den größten Einfluss hat das EP in seiner Kontrollfunktion gegenüber der Kommission - seit 1975 ist dafür allein das Parlament zuständig - und beim EU-Etat. So haben die Abgeordneten 1979 und 1984 den Haushalt abgelehnt. 1998 hat das Parlament der Kommission die Entlastung versagt. Auch muss das EP seit dem Maastrichter Vertrag von 1992 der Ernennung der Kommission zustimmen - oder kann die Mitglieder zum Rücktritt zwingen.ERSCHEINUNGSBILD: War die Tätigkeit des EP in den ersten Wahlperioden eher durch unkoordiniertes Verhalten gekennzeichnet, so haben sich inzwischen Schwerpunkte im Bereich des Binnenmarktes und der Außenbeziehungen gebildet. Intensive Auseinandersetzungen gibt es mit der Beschäftigungspolitik. Auch viele Vorschläge zur Zukunft der Union kamen aus dem Parlament. So verabschiedeten die Abgeordneten schon 1984 einen "Vertragsentwurf zur Gründung der Europäischen Union", quasi das Grundgerüst zur europäischen Verfassung.PRAXIS: Das EP hat drei Standorte: Straßburg als offizieller Tagungsort, Brüssel als Sitz des Hauptbüros sowie der Ausschüsse und Luxemburg als Sitz des Generalsekretariats - eine Folge historischer Befindlichkeiten und nationaler Ränkespielchen. Hinzu kommen die Büros der Abgeordneten in ihren Heimatregionen. Pendelnd zwischen Ausschuss, Plenum und Wählern arbeiten die Abgeordneten. Größten Anteil an ihrer Arbeit hat die inhaltliche Vorbereitung von Gesetzesentwürfen.In der Regel ist jeder Parlamentarier Mitglied in einem der 17 ständigen Fachausschüsse. Beispielsweise sitzt der Cochemer Ralf Walter (SPD) im Haushaltsausschuss, Christa Klaß (CDU, Osann-Monzel) und Hiltrud Breyer (Bündnis 90/Die Grünen, Saarbrücken) gehören dem Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik an, und Werner Langen (CDU, Oberfell) ist Mitglied im Ausschuss für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie. Einmal im Monat tagen die Parlamentarier von Montag bis Donnerstag in Straßburg. Meistens fahren sie dann übers Wochenende nach Hause. In den Wahlkreiswochen geht es neben der Werbung in eigener Sache auch um das Gespräch mit den Wählern.

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