Amerika als Vorbild

Berlin. In der Frage der Einbürgerung von Ausländern war in den vergangenen Tagen die Lage ziemlich unübersichtlich geworden. Mittlerweile stehen die Zeichen auf Kompromiss.

Soll es nun Tests oder nur Kurse oder einen Gesprächsleitfaden geben, wenn man Deutscher werden will? Braucht die Republik wie die Niederlande ein 63 Euro teures Set mit DVD und einhundert Fragen, die man wie bei der Führerscheinprüfung vorab pauken kann? Und regelt jedes Bundesland die Einbürgerung selber - oder ist ein bundeseinheitliches Vorgehen nicht sinnvoller? Fast jeden Tag gab es neue Ideen auf dem politischen Parkett, wie man Zuwanderer, die laut Statistik ohnehin immer weniger Lust verspüren, Deutsche zu werden, einer Reifeprüfung unterziehen könnte. Nach vielen Aufgeregtheiten und noch mehr politisch skurrilen Debatten zeichnet sich nun langsam ein Konsens in der heiklen Frage der Einbürgerung von Ausländern ab. Verwunderlich ist dies nicht. Die Wahlkämpfe um die Landtage in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt sowie um die hessischen Kommunen neigen sich dem Ende entgegen, am Sonntag wird gewählt, die Trommeln werden also wieder eingepackt. Allerdings ist das Bild in der Union noch etwas diffus, weil die schwarz-regierten Bundesländer nach wie vor verschiedene Vorstellungen über Form und Inhalt des Einbürgerungsverfahrens haben. So ist in Baden-Württemberg seit Jahresbeginn ein umstrittener Einbürgerungsleitfaden in Kraft; Hessen schlägt vehement den inzwischen schon berühmt-berüchtigten Wissens- und Wertetest für Ausländer vor, der 100 Fragen umfasst, von der SPD aber kategorisch abgelehnt wird; und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) erachtet demgegenüber die bislang vorliegenden Vorschläge allesamt für unzureichend. Keine sonderlich gute Ausgangslage für einen Kompromiss. Zumindest aber mehren sich jetzt die Stimmen, die eine bundeseinheitliche Lösung fordern. Ansonsten, warnt Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), drohe in Deutschland ein Einbürgerungstourismus, sollte in einem Bundesland die Staatsbürgerschaft zu "billigeren Konditionen" zu erlangen sein als in einem anderen. Ein solcher Umstand wäre womöglich dann auch ein Fall für das Bundesverfassungsgericht, wie Rechtspolitiker bereits vermuten. Schließlich "gibt es keine hessische oder baden-württembergische Staatsbürgerschaft, sondern nur die deutsche", betont SPD-Fraktionschef Peter Struck. Eine bundeseinheitliche Regelung kann es aber nur dann geben, wenn sich die Länder zuvor im Klaren sind, was sie eigentlich wollen und was nicht. In Berlin geht man davon aus, dass am 5. und 6. Mai die Innenminister von Bund und Ländern einen gemeinsamen Weg ausloten werden. Gute Chancen scheint der Vorschlag des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) zu haben: Er schlug gestern verpflichtende Interviews und Prüfungen nach US-amerikanischem oder kanadischem Vorbild vor. Eine Idee, mit der sich auch die SPD anfreunden kann: "Ich find's nicht schlecht", so Peter Struck.

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