Angela Merkels Wadenbeißer

BERLIN. Der CDU-Parteivorstand hat Ronald Pofalla gestern einstimmig zum neuen CDU-Generalsekretär und damit zum Nachfolger von Volker Kauder ernannt. Seine Karriere ist bemerkenswert.

Bereits mit 16 Jahren trat Ronald Pofalla in die Junge Union ein. Es folgte die sprichwörtliche parteipolitische Ochsentour. Schon mit 20 war er Wortführer seiner Fraktion im Gemeinderat von Weeze, einem Ort mit 10 000 Einwohnern nahe der holländischen Grenze im Landkreis Kleve. Da, wo die Welt für die CDU noch immer in Ordnung ist: Man ist in aller Regel katholisch und wählt konservativ. Der Schriftsteller Heinrich Böll hat die Region in seinem berühmten Buch "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" eindrucksvoll und kritisch beschrieben. Sieben Jahre später wurde der Sohn eines Holzfällers, der seine Mutter sehr früh verlor, zum Landesvorsitzenden der Jungen Union in Nordrhein-Westfalen gewählt. Seit 1990 sitzt er im Deutschen Bundestag. Und seit fünf Jahren ist Pofalla Vorsitzender des einflussreichen CDU-Bezirks Niederrhein. Der heute 46-Jährige arbeitete viele Jahre als Anwalt in der renommierten Essener Kanzlei Holthoff-Pförtner, die auch wiederholt Altkanzler Helmut Kohl betreute, etwa in der großen CDU-Spendenaffäre. Gerne erzählt Pofalla, dass es vor allem Kohls Einsatz für die deutsche Einheit und der Fall der Berliner Mauer 1989 waren, die ihn zur Bundespolitik brachten. Seine gestrige Ernennung ist der vorläufige Höhepunkt einer steilen Politiker-Karriere. Ein kleiner CDU-Parteitag wird ihn Anfang 2006 offiziell ins Amt wählen. Lange hatte der studierte Rechtsanwalt und Sozialpädagoge gehofft, für ihn könnte auch ein Ministerposten drin sein. Im Berliner Politik-Betrieb gilt Pofalla als exzellenter Strippenzieher und ,,reformfreudiger Modernisierer". Seit er vor gut einem Jahr neben Michael Meister einer der beiden Nachfolger von Friedrich Merz im Amt des stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion wurde, hat sich der gewiefte Taktiker vor allem mit Arbeitsmarkt und Wirtschaftspolitik befasst. Schon lange gehört Pofalla neben Volker Kauder, dem neuen Fraktionschef der Union, und Norbert Röttgen, dem parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion, zum engsten Vertrautenkreis von Angela Merkel. In den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD hatte er die Fachgruppe Arbeit geleitet. Der Posten des CDU-Generalsekretärs ist bedeutend, gibt ihm Macht und Einfluss. Aber das Amt ist auch voller Fallstricke. Denn von Pofalla, der zweifellos eloquent ist, wird jetzt ein mächtiger Spagat gefordert. Auf der einen Seite wird er viel Kraft darauf verwenden müssen, seine Kanzlerin zu unterstützen und den Zusammenhalt der großen Koalition aus Union und SPD zu fördern. Auf der anderen Seite soll er zugleich auch Distanz zur SPD halten. Ja, er muss alles versuchen, als eine Art Wadenbeißer Angela Merkels das programmatische Profil der CDU gegenüber dem Koalitionspartner zu schärfen und die Partei nach dem Wahldebakel vom 18. September aus ihrem Stimmungstief zu führen. Leicht wird das nicht werden. Und die Zeit drängt. Schon am 26. März 2006 wird in drei Bundesländern gewählt. In Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt treten CDU und SPD als Rivalen an.

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