Angelas Wegelagerer

Einen miserableren Start in den Wahlkampf als die aktuelle Mehrwertsteuer-Debatte hätte sich die Union schwerlich aussuchen können. Das peinliche Hüh und Hott lässt ahnen, wie rigoros CDU/CSU nach einem Wahlsieg die Bürger auszuplündern gedenken.

Einen miserableren Start in den Wahlkampf als die aktuelle Mehrwertsteuer-Debatte hätte sich die Union schwerlich aussuchen können. Das peinliche Hüh und Hott lässt ahnen, wie rigoros CDU/CSU nach einem Wahlsieg die Bürger auszuplündern gedenken. Denn nichts anderes bedeutet eine Erhöhung gerade dieser Abgabe. Die Mehrwertsteuer ist weder an die Leistungsfähigkeit des Zahlers gebunden noch an eine spezifische Gegenleistung des Staates. Sie ist, zugespitzt formuliert, eine Art Wegelagerertum der öffentlichen Hand. Wo immer Waren und Dienstleistungen bewegt werden, kassiert der Staat mit, ob er etwas dafür leistet oder nicht. Das ist so lange legitim, wie eine Gesellschaft prosperiert und die Allgemeinheit auf diese Weise einen Teil der notwendigen Aufgaben aus dem "Mehrwert" finanziert. Wer viel konsumiert, gibt auch mehr ab. Wer sein Geld zusammenhält, spart, in Anleihen oder Aktien anlegt oder mit Rendite investiert, kommt besser weg. Stagniert aber das Wachstum, bleibt der Mehrwert aus, dann ändert die Mehrwertsteuer ihren Charakter. Ein wachsender Anteil von Menschen im Lande hat nicht mehr die Wahl zwischen Konsum und Sparen, weil das Geld gerade reicht, um die laufenden Ausgaben zu finanzieren. Wer genau so viel verdient, wie er für den Lebensunterhalt von sich und seiner Familie braucht, für den bedeutet jeder Euro, der zusätzlich für Mehrwertsteuer draufgeht, einen Euro weniger zum Leben. Während derjenige, bei dem es weiter fürs Sparen oder Investieren reicht, bei einem beträchtlichen Teil seines Einkommens von der Erhöhung verschont bleibt. Es ist übrigens ausgerechnet ein in der Wolle gefärbter Konservativer, der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof, der seit Jahren auf diese Ungerechtigkeit hinweist. Eine Mehrwertsteuererhöhung ist die unsozialste und dümmste Form, Löcher in den öffentlichen Haushalten zu stopfen. Und sie ist die Bankrotterklärung der Politik, deren Aufgabe es wäre, die Kostenseite sinnvoll zu reduzieren und die Finanzierung notwendiger Ausgaben möglichst gerecht und intelligent entlang der Leistungsfähigkeit zu verteilen. Schon, um die Binnen-Nachfrage nicht zu ruinieren. Eine Union, die jetzt schon beginnt, steuer- und konjunkturpolitisch blind um sich zu schlagen, und eine SPD, die eilfertig über Nacht all das wieder ausbuddelt, was sie in sieben Regierungsjahren nicht mit der Beißzange anfassen wollte: Angesichts solcher Alternativen wird das im September eine betrübliche Wahl. d.lintz@volksfreund.de

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