Angriff auf den Hausfrieden der Linken

Berlin · Intensiv hat die Führung der Linken gestern versucht, den eskalierenden innerparteilichen Streit um die sogenannte Toilettenaffäre zu beruhigen. Fraktionschef Gregor Gysi nahm die Entschuldigung von drei Abgeordneten an.

Berlin. Am vergangenen Montag war Fraktionschef Gregor Gysi von radikalen Israelkritikern, die drei seiner eigenen Abgeordneten in den Bundestag eingeladen hatten, bedrängt und bis in die Toilette verfolgt worden. Der Vorgang ließ sogleich heftige Flügelkämpfe aufflammen; sogar der Ruf nach Parteiausschlüssen wurde laut. Gysi meldete sich gestern selbst beschwichtigend zu Wort. Er appelliere an alle, "ihre ideologischen Differenzen nicht anhand dieses Vorfalls auszutragen". Die drei Abgeordneten Inge Höger, Annette Groth und Heike Hänsel hätten sich bei ihm entschuldigt, und er habe die Entschuldigung angenommen.
Für die Zukunft allerdings hielt der Fraktionschef fest, dass Veranstaltungen der Linken "ausschließlich auf der Grundlage des Grundsatzprogramms und des Wahlprogramms" stattfinden dürften. Darin steht die Verpflichtung der Linken zum Kampf gegen den Antisemitismus und das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels sowie für eine Zwei-Staaten-Lösung in Nahost. Gysi hatte das Ansinnen der drei Parlamentarierinnen abgelehnt, ausgerechnet am 9. November, dem Tag der antijüdischen Pogrome von 1938, die beiden israelkritischen Journalisten David Sheen und Max Blumenthal im Namen der Fraktion zu einer offiziellen Veranstaltung einzuladen. Daraufhin hatten Höger, Groth und Hänsel die beiden am 10. November zu einem "Fachgespräch über die israelischen Angriffe auf Gaza" in den Bundestag gelotst. Im Anschluss daran kam es zu dem Zwischenfall, als die Gruppe, offensichtlich von den drei Abgeordneten dorthin geführt, zu Gysis Büro ging, um ihn zur Rede zu stellen.
Die anschließende lautstarke Verfolgungsjagd bis ins Klo wurde gefilmt und von den Israelkritikern ins Netz gestellt. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) verhängte gegen die Journalisten deshalb ein Hausverbot.
Letzte Woche formierte sich in der Partei eine Empörungswelle. Im Internet wurde den drei Frauen vom linken Flügel auf einer Website mit dem Namen "ihrsprechtnichtfüruns.de" der Austritt aus der Fraktion nahegelegt. Vor allem auf Höger zielte das, die schon mehrfach mit massiver Israelkritik aufgefallen war.
Zu den Erstunterzeichnern des Aufrufes gehören elf Bundestagsabgeordnete, darunter Fraktionsvize Jan Korte und die parlamentarische Geschäftsführerin Petra Sitte sowie Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn. Darauf warf sich die stellvertretende Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, Vertreterin der Parteilinken, für die drei in die Bresche: Der Aufruf sei ein "Nachtreten", sagte sie. Hier suchten einige offenbar eine Gelegenheit zur Abrechnung.
Neben Gysi versuchte gestern auch Parteichef Bernd Riexinger, die Lage wieder zu beruhigen. Die Aktion der drei sei eine große politische Dummheit gewesen, sagte er nach einer telefonischen Beratung der Parteiführung. Doch müsse es mit der Annahme der Entschuldigung durch Gysi jetzt genug sein. "Das haben alle zu respektieren."
Es sei nicht erfreulich, wenn es alle paar Monaten solche Auseinandersetzungen gebe, räumte Riexinger ein und sprach von einem "ernst gemeinten Warnruf". Höger schien den Warnschuss freilich immer noch nicht richtig gehört zu haben. Sie blieb gestern auf ihrer Website nicht nur inhaltlich bei ihrer propalästinensischen Position, sondern warf ihren innerparteilichen Gegnern auch noch den Versuch vor, "die Partei zu spalten".Extra

Neben den Abgeordneten und Mitgliedern der Bundesregierung wie des Bundesrats haben auch die Mitarbeiter und Verwaltungsangestellten freien Zugang zu den Parlamentsgebäuden des Bundestags in Berlin. Auch Journalisten haben Zutritt zum Bundestag, sofern sie über eine Akkreditierung verfügen. Gäste erhalten in der Regel Zugang über eine Einladung eines Abgeordneten - wie im Fall der beiden Männer, die Linksfraktionschef Gregor Gysi mit Kamera bedrängten. Bundestagspräsident Norbert Lammert hat dazu ein Verfahren zur Verhängung eines Hausverbots eingeleitet. dpa

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