Angst vorm tiefen Loch

Berlin · Mit dem neuen Rettungspaket für Griechenland kommen auf Deutschland auch neue Risiken zu. Der Steuerzahler sei am Ende der Verlierer, warnt der Steuerzahlerbund und fordert den Bundestag auf, das Paket abzulehnen.


Berlin. Der Bund der Steuerzahler (siehe Hintergrund) hat den Bundestag aufgefordert, den neuen Milliardenhilfen für Griechenland nicht zuzustimmen. "Beim zweiten Griechenland-Paket sind die Steuerzahler einmal mehr die Verlierer", sagte Verbandspräsident Karl Heinz Däke der Neuen Osnabrücker Zeitung (Mittwoch). Die Beteiligung der privaten Gläubiger muss nach seiner Ansicht viel höher ausfallen. "Denn schließlich haben die Banken bereits einen erheblichen Teil ihrer Risikopositionen über den öffentlichen Sektor entsorgt."

Verdoppeltes Risiko


Wie die Zeitung Die Welt (Mittwoch) berichtet, wird das neue Rettungspaket das Risiko für die deutschen Steuerzahler mehr als verdoppeln. Nach Berechnungen des Blattes geht die Bundesrepublik etwas mehr als 31 Milliarden Euro an neuen Risiken ein, wenn das Hilfsprogramm im Gesamtumfang von 130 Milliarden Euro bis 2014 vollständig ausgezahlt werden sollte.
Zehn Milliarden Euro seien jetzt erstmals für den deutschen Staat tatsächlich verloren, da auch die staatlichen Kreditinstitute wie Landesbanken oder Abwicklungsanstalten vom Schuldenschnitt für die privaten Gläubiger betroffen seien und damit auch der Steuerzahler, hieß es weiter. Nach der Umschuldung werden die staatlichen Geldhäuser laut Welt voraussichtlich knapp zehn Milliarden Euro auf ihre Griechenland-Verbindlichkeiten abgeschrieben haben.
Auch der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick, hält den Schuldenschnitt für Griechenland für nicht ausreichend. "Es wird eine weitere Runde geben, und dann wird auch der Steuerzahler in die Tasche greifen müssen", sagte er. Positiv sei, dass die Zinsen für Griechenland nun niedriger seien. "Aber wir müssen jetzt schleunigst dafür sorgen, dass sich die Hedgefonds beim Schuldenschnitt nicht aus der Affäre stehlen", sagte Schick. Zudem wiesen die Einsparungen in Athen eine Schieflage auf. "Die Armen werden geschröpft, der Militärhaushalt bleibt viel zu hoch."
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), will dem zweiten Rettungspaket für Griechenland im Bundestag nicht zustimmen. Das kündigte er in der Passauer Neuen Presse (Mittwoch) an. "Wir marschieren weiter mit großen Schritten in Richtung Haftungsunion und gehen dabei zulasten künftiger Generationen Risiken ein, die ich für unvertretbar halte."
Der Bundestag will am Montag über das zweite Hilfspaket von 130 Milliarden Euro entscheiden. Bereits am Freitag berät der Haushaltsausschuss. Für die symbolträchtige Kanzlermehrheit von Schwarz-Gelb sind mindestens 311 Ja-Stimmen der Koalition nötig (siehe Extra).
Extra

Er gilt als Sprachrohr der Steuerzahler und dürfte damit die beliebteste Lobby-Organisation im politischen Berlin sein: Der Bund der Steuerzahler (BdST). Präsident Karl Heinz Däke ist immer präsent, wenn es darum geht, den Finger in die Wunde zu legen und die vermeintliche Verschwendung von Steuergeldern zu beklagen. Das Themenspektrum reicht dabei von der Schuldenkrise in Griechenland und dem deutschen Anteil an den Hilfen bis hin zu den Spritpreisen und dem Faktor Mineralölsteuer. Nicht nur die verantwortlichen Politiker, auch der Fiskus selbst muss sich bei Fehlern oder Verzögerungen in der Verwaltung schelten lassen. Einmal im Jahr legt der Bund das Schwarzbuch zur öffentlichen Verschwendung vor, in dem abseitige öffentliche Ausgaben akribisch aufgelistet sind und kritisiert werden. Legendär ist der Live-Zähler mit dem Stand der deutschen Staatsverschuldung (derzeit zwei Billionen Euro), der sowohl auf der Internet-Seite des BdST als auch über dem Eingang zu seinen Büroräumen in Berlin-Mitte zu bewundern ist. dpaExtra

Die Bundesregierung stapelt vor der entscheidenden Abstimmung im Bundestag über das zweite Griechenland-Paket tief: Die politisch wichtige Kanzlermehrheit von Union und FDP sei nur in sehr wenigen, begrenzten Fällen nötig. "Diese Abstimmung gehört nicht dazu", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch. Das Parlament entscheidet am Montag über die 130-Milliarden-Hilfen. In Union und FDP haben sich bisher nur wenige Abweichler geäußert, die dagegen stimmen wollen. Bei der FDP sind es die Abgeordneten Frank Schäffler und Sylvia Canel, bei der CDU Innenexperte Wolfgang Bosbach und Haushälter Klaus-Peter Willsch. Eine eigene schwarz-gelbe Mehrheit der Regierung gilt jedoch als wahrscheinlich. Bisher erreichte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei allen wichtigen Euro-Abstimmungen die dafür geforderten mindestens 311 Ja-Stimmen der Koalition. Das Parlament hat 620 Abgeordnete. Insgesamt wird am Montag eine breite Zustimmung erwartet, weil SPD und Grüne das Hilfspaket mehrheitlich mittragen wollen. dpa

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