Ankläger glaubt nicht an Böhrs Unschuld

Mainz · Die Staatsanwaltschaft sieht im Untreue-Prozess gegen Ex-CDU-Chef Christoph Böhr dessen Schuld "durch eine lückenlose Beweiskette" als erwiesen an. Sie fordert eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung.

Mainz. Christoph Böhr hat gelitten in den vergangenen Jahren. Sein großer Traum, Regierungschef von Rheinland-Pfalz zu werden, ist im Mai 2006 zerplatzt. In der CDU spielt der frühere Partei- und Fraktionschef keine Rolle mehr. Aus dem öffentlichen Leben hat sich der Trierer zurückgezogen. Jetzt droht ihm auch noch eine Verurteilung wegen besonders schwerer Untreue in mehreren Fällen.
Nach Lesart von Staatsanwalt Andreas Baumann hat Böhr 2005 und 2006 zu allen Mitteln gegriffen, um den damaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) aus dem Amt zu jagen: Böhr habe wissentlich getrickst und getäuscht, dabei einen hohen Vermögensschaden verursacht und die CDU, Fraktion wie Partei, "in ein Trümmerfeld" gestürzt. Auch die anderen Angeklagten, Ex-Fraktionsgeschäftsführer Markus Hebgen, den früheren CDU-Generalsekretär Claudius Schlumberger sowie den einstigen Hamburger Finanzsenator Carsten Frigge, hält Baumann für schuldig.
Der Ankläger betont: "Alle Angeklagten handelten vorsätzlich." Er fordert Freiheitsstrafen für alle zur Bewährung. Für Böhr zwei Jahre, für Hebgen ein Jahr und drei Monate, für Schlumberger ein Jahr und für Frigge ein Jahr und drei Monate. Zusätzlich sollen Geldauflagen gezahlt werden. Hebgen soll 200 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.
In seinem eineinhalbstündigen Plädoyer beginnt Baumann mit dem Jahr 2004. Damals sei die Lage für Christoph Böhr schwierig gewesen und guter Rat gefragt, "und der ist bekanntlich teuer". Böhr habe Carsten Frigge kontaktiert und als Berater engagiert, der "ein lupenreines, klassisches Wahlkampfkonzept" entworfen habe. Das Problem: "Die Parteikasse war leer, und Böhr und Hebgen entschlossen sich, über die gut gefüllte Fraktionskasse zu finanzieren." Das aber ist illegale Parteienfinanzierung.
Baumann hält es durch Dokumente wie E-Mails und Buchhaltungsbelege für zweifelsfrei erwiesen, dass Rechnungen falsch adressiert oder nachträglich geändert worden sind, um einen fest vereinbarten Zahlungsplan zu verschleiern.
Plädoyer dauert 90 Minuten


Frigge sei Kopf der Wahlkampfkampagne gewesen und habe sich das Geld, insgesamt 386 000 Euro, mit der Agentur Allendorf Media geteilt, die für die PR-Kampagne zuständig gewesen sei.
Was die Angeklagten im Prozessverlauf erklärt hätten, sei "widersprüchlich und in hohem Maße unglaubhaft", sagt der Staatsanwalt. Gegenüber dem Rechnungshof, der die Verwendung der Fraktionsmittel, also Steuergeld, prüfte, seien andere Aussagen gemacht worden. Man habe sie dann den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft angepasst. Es seien "verzweifelte Schutzbehauptungen".
Böhrs Behauptung, Frigges Wahlkampfkonzept sei in den Papierkorb gewandert und strikt zwischen dessen Arbeit (Beratung der Fraktion) und der von Allendorf (Beratung der Partei) getrennt worden, sei falsch. Es gebe keine Belege, keine Verträge und keine Leistungsnachweise dafür, dass Frigge für die Fraktion tätig gewesen sei. Der Berater sei für die Fraktion "beinahe wie ein Phantom" gewesen.
Auch den Verweis der Angeklagten auf andere Wahlkampfberater hält der Staatsanwalt nicht für stichhaltig. An Frigge und Allendorf sei "mit weitem Abstand das meiste Geld geflossen". Und zwar keinesfalls für parlamentarische Initiativen, sondern für den Wahlkampf.
"Allen Angeklagten war sehr bewusst, dass ihre Tätigkeit illegal war", meint Baumann. Böhr und Hebgen hätten sich der Untreue und des versuchten Betruges schuldig gemacht, denn sie hätten eine Pflicht zur Betreuung des Fraktionsvermögens - Böhr auch zur Betreuung des Parteivermögens - gehabt. Der Vermögensschaden sei außerordentlich hoch. Die CDU habe 386 000 Euro an Frigge ausgegeben und diese Summe an den Landtag zurückzahlen müssen. Außerdem sei zwingend laut Parteiengesetz eine dreifache Strafzahlung der Union an den Bundestag von 1,2 Millionen Euro fällig gewesen.
Böhr und Hebgen sind für die Staatsanwaltschaft die Haupttäter. Carsten Frigge sei der Beihilfe zur Untreue und wegen des Versuchs des gemeinschaftlichen Betruges schuldig. Ex-Generalsekretär Claudius Schlumberger sei nur ein Mitläufer gewesen, der sich nicht widersetzt habe.
In der nächsten Woche folgen die Plädoyers der Verteidiger. Das Urteil des Landgerichts Mainz fällt am 3. Dezember.Extra

Im Paragraphen 266 (Untreue) des Strafgesetzbuches heißt es wörtlich: "Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." red

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