Ankoppeln an die Realität

In keiner Frage ist die katholische Kirche annähernd so weit von der menschlichen Realität, aber auch vom Herz und Verstand ihrer eigenen Gläubigen entfernt wie bei der Nutzung von Kondomen. Selbst in der Mitte der Kirche kann kaum jemand nachvollziehen, wie man angesichts von Millionen Aids-Toten unendliches Leid in Kauf nimmt, um nicht an Dogmen rütteln zu müssen.

Anders als bei Abtreibung oder Genforschung, wo es um gesellschaftlich nachvollziehbare moralische Grundentscheidungen geht - bei denen die Kirche auch bei Menschen Verständnis verdient, die ihre Positionen nicht teilen - ragt bei der Kondom-Frage ein Stück Mittelalter in die kirchliche Neuzeit. Der Papst tut gut daran, mit seinen Schäfchen nicht jedem modernen Trend hinterherzulaufen. Aber das weltfremde Festhalten an einst für "wahr" erkannten Vorgaben, deren Konsequenzen heute unmenschliche Folgen haben, kann nicht die Alternative sein. Es wäre ebenso gut wie überfällig, wenn gerade der als konservativ eingestufte Papst Benedikt seine Kirche in dieser Frage wieder an die Wirklichkeit ankoppelt. Dabei kommt es gar nicht darauf an, mit welchen gesichtswahrenden Einschränkungen eine neue Position garniert würde. Die Menschen würden die entscheidende Botschaft schon verstehen: Es gibt Situationen, in denen es zwischen der Lebensgefährdung des Partners und dem Verzicht auf Sexualität noch eine Alternative geben muss, die keine Sünde ist. d.lintz@volksfreund.de

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