Annäherung vor historischer Kulisse

Ouistreham · Versöhnung ist das zentrale Thema der Erinnerung an die Landung der Alliierten in der Normandie. Deshalb wird auch eine Lösung für die Ukraine-Krise gesucht. Barack Obama und Angela Merkel treffen Wladimir Putin. Kommt Bewegung in den Konflikt?

Ouistreham. "Willkommen unseren Befreiern!" schlug es den Besuchern schon am Ortseingang entgegen. Vor den Häusern und Restaurants im normannischen Seebad Ouistreham wehten internationale Fahnen im Wind, Hubschrauber kreisten am Himmel, Soldaten patrouillierten auf den Straßen. 70 Jahre nach der Befreiung Frankreichs und Europas durch die Alliierten war es, als landete zwischen Orne-Mündung und Ärmelkanal abermals die Welt - wie einst im Juni 1944, als mehr als 150 000 Soldaten eine neue Front im Kampf gegen Nazi-Deutschland eröffneten.
Nur das Wetter war diesmal anders: Mit tiefblauem Himmel und fast sommerlichen Temperaturen bot die Normandie Präsident François Hollande und seinen Gästen an diesem Tag nach außen hin eine perfekte Kulisse für die Feierlichkeiten zum "D-Day"-Geburtstag. An den historischen Stätten zwischen Bayeux und den ehemaligen Landungsstränden gedachten die 19 geladenen Staats- und Regierungschefs im Beisein von über 1000 inzwischen hochbetagten Veteranen in verschiedenen Zeremonien der im Zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten und deren Beitrag für den Frieden in Europa.
"Frankreich wird niemals vergessen, was es diesen Soldaten schuldet, was es den USA schuldet", sagte Hollande bei einer Feier mit US-Präsident Barack Obama auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof von Colleville-sur-Mer. Obama wiederum erinnerte an die Verpflichtung zu Frieden und Freiheit, die damals wie heute gelte - "dieser Anspruch ist mit Blut auf diesen Strand geschrieben, und er wird für immer fortdauern", sagte er.Putins Comeback


Überschattet wurden die Feierlichkeiten von der Krise in der Ukraine und den jüngsten Spannungen zwischen Russland und dem Westen. So richteten sich denn auch alle Augen auf Kremlchef Wladimir Putin, der zum ersten Mal seit der Annexion der Krim wieder mit den westlichen Spitzenpolitikern zusammentraf. Vom Gipfeltreffen der Industrienationen in Brüssel in dieser Woche war er noch ausgeladen worden. Vor allem das Verhältnis zwischen Obama und Putin gilt seit der Ukraine-Krise als extrem angespannt.
So waren die beiden auch in der Normandie zunächst sichtlich darum bemüht, sich aus dem Weg zu gehen. Auf dem Familienfoto vor dem Schloss Bénouville unweit von Caen stellten sie sich in gebührendem Sicherheitsabstand voneinander auf - sorgsam eingerahmt von Frankreichs Staatschef Hollande und den beiden Königinnen, Elizabeth II. von England und Margarethe II. von Dänemark. Ähnlich fiel die Sitzordnung beim festlichen Mittagessen aus, das Hollande von den besten Küchenchefs der Region hatte ausrichten lassen: Bei Sankt-Peters-Fisch, Kalbskeule und normannischen Dessertspezialitäten, so hoffte der Gastgeber wohl, würde die Stimmung möglicherweise auftauen.
Ob es am Menü lag oder nicht - am Rande der Feierlichkeiten gab es dann schließlich doch direkte Gespräche mit dem Kremlchef. Im Badeort Deauville, rund 50 Kilometer nordöstlich von Caen, kam zunächst Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Putin zusammen. Dabei forderte sie ihn nach Angaben der Bundesregierung auf, alles in seiner Macht stehende zu tun, "um eine Stabilisierung der Lage insbesondere in der Ost ukraine zu erreichen". Russland müsse seiner großen Verantwortung gerecht werden.
Völlig unerwartet traf sich Putin dann auch mit dem neu gewählten ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko. Die Begegnung war die erste Zusammenkunft seit der Präsidentschaftswahl in der Ukraine am 25. Mai und darf als Quasi-Anerkennung Poroschenkos durch Putin gewertet werden. Wie aus dem Umfeld Hollandes verlautete, hätten sich beide darauf verständigt, in Kürze über "die Modalitäten eines Waffenstillstandes" zu beraten. An dem Gespräch nahmen offenbar auch Merkel und Hollande teil.
Die eigentliche Überraschung kam dann am späten Nachmittag: Während am Strand von Ouistreham noch die internationale Gedenkzeremonie lief, verlautete aus französischen und US-amerikanischen Regierungskreisen, dass sich auch Obama und Putin schließlich getroffen hätten - kurz, aber immerhin. Bei einem "informellen Gespräch" während des Mittagessens, so hieß es, hätten sich beide für ein rasches Ende aller militärischen Handlungen in der Ukraine ausgesprochen. So haben ausgerechnet die Feierlichkeiten am Rande der ehemaligen Schlachtfelder letzten Endes zu einer Annäherung im aktuellen Konflikt geführt und die Normandie erneut in den Blickpunkt der Welt gerückt.Extra

US-Präsident Barack Obama und Kanzlerin Angela Merkel haben die D-Day-Gedenkfeiern in der Normandie zu einer Vermittlungsoffensive in der Ukraine-Krise genutzt. Obama und Kremlchef Wladimir Putin trafen sich am Freitag zu einem kurzen Gespräch. Dabei sprachen sie sich nach Kreml angaben für ein schnelles Ende der Gewalt in der Ostukraine aus. Zuvor hatte der US-Präsident den Kreml-Chef immer wieder hart kritisiert. Erstmals seit neun Monaten trafen sich auch Merkel und Putin wieder zu einem bilateralen Treffen. Merkel forderte Putin in dem gut einstündigen Gespräch auf, alles in seiner Macht stehende für eine Stabilisierung der Lage in der Ukraine zu tun. dpa

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