Anwalt fordert: Noch andere auf die Anklagebank

DAUN. Anderthalb Jahre nachdem auf der Laurentius-Kirmes in Daun ein 14-jähriges Mädchen bei der Fahrt mit einem "Bungee-Katapult" getötet wurde, beginnt der Prozess vor dem Trierer Landgericht. Angeklagt sind das Betreiberehepaar des Fahrgeschäfts sowie drei ihrer Angestellten. Im TV-Interview äußert sich der Anwalt der Dauner Familie, die damals ihr Kind verloren hat, zum anstehenden Verfahren.

Anderthalb Jahre musste bis zum Verfahren gewartet werden: Überwiegt die Belastung, oder gibt es da auch so etwas wie ein Gefühl der Befreiung?Brauer: Die Zeit war sicherlich belastend und hat auch noch keine Wunden geheilt. Das ist noch alles frisch. Ich möchte das aber nicht weiter erörtern, da das zu tief in die Privatsphäre eindringen würde.

Haben Sie das Verfahren durch eigene Anträge vorangetrieben?

Brauer: Nach Abschluss der Ermittlungen hatten wir Akteneinsicht und haben auch die Gutachten bekommen. Nachdem wir diese durchgearbeitet hatten, haben wir Anregungen schriftlicher Art gegeben.

Welche?

Brauer: Wir sind der Meinung, dass nicht alle auf der Anklagebank sitzen, die da hin gehören. Es ist relativ einfach, dem Letzten im Glied nachzuweisen, dass er falsch auf den Knopf gedrückt hat oder unachtsam war. Unendlich viel schwieriger ist es, nachzuweisen, dass einer weiter vorne in dieser Kette etwas falsch gemacht hat. Ich denke da an den Hersteller dieses extrem gefährlichen Geräts. Der wird zwar immer sagen: "Der Markt verlangt danach", aber das ist Quatsch.

"...eine Sicherung, die vorsintflutlich ist"

Es wusste ja vorher niemand, dass es überhaupt möglich ist, so etwas herzustellen. Und da wird dann so ein Gerät konstruiert und mit seitenlangen Sicherheitshinweisen und Anordnungen versehen, was alles beachtet werden muss, aber mit einer Sicherung ausgestattet, die vorsintflutlich ist, sozusagen steinzeitlich...

...und nicht einmal den Anforderungen eines Haartrockners entspricht?

Brauer: Genau. Eine Sicherung, die mechanisch und von der Aufmerksamkeit und der Gewissenhaftigkeit der Leute abhängig ist, die das Gerät bedienen. Ich halte das für höchst gefährlich, vor allem, wenn man sieht, wer so auf dem Rummelplatz arbeitet. Ich will ja niemandem zu nahe treten, aber das sind nicht gerade die preußischen pflichtbewussten Beamten, sondern das sind eher die vom Schicksal Benachteiligten.

Sie meinen, Leute, die anderswo keinen Job gefunden haben?

Brauer: Ja. Man sieht schließlich überall die Schilder "Junger Mann zum Mitreisen gesucht". Dass diese Leute vielleicht schon manchmal etwas leichtsinniger sind als andere, muss man ja fast schon unterstellen. Und dass man dann keine elektronische Sicherung hat, ist nicht nachvollziehbar. In den Gutachten klingt immer wieder an, man hätte da auch eine ganz andere Sicherung einbauen können - zwar mit mehr Aufwand, aber technisch machbar.

Haben Sie ein Beispiel?

Brauer: Elektronische Sperren. Die würden den Abschuss nicht frei geben, solange der Bügel noch offen ist. Da sehe ich ein Problem. Man müsste meiner Meinung nach intensiv prüfen, ob man dafür einen der Verantwortlichen der Firma dran bekommt. Aber die sitzt in Österreich, und strafrechtliche Ermittlungen im Ausland sind trotz EU noch immer schwierig.

Hat die Staatsanwaltschaft in diesem Punkt versagt?

Brauer: Das kann man so nicht sagen. Meines Wissen gehen Ermittlungen in diese Richtung, aber die sind offenkundig noch nicht weit genug gediehen, um auch Verantwortliche der Herstellerfirma auf die Anklagebank zu bringen.

Werden Sie als Nebenkläger versuchen, weitere Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen?

Brauer: Das können wir noch nicht sagen. Möglicherweise werden wir versuchen, das weiter zu verfolgen. Das hat mit diesem Verfahren zunächst nichts zu tun, wird aber mit Sicherheit auch angesprochen werden - von uns und unter Umständen sogar von der Verteidigung der Angeklagten. Die werden ja Möglichkeiten suchen, ihre Klientel zu entlasten.

Sehen Sie auch die Tüv-Prüfer, die das Unglücks-Gerät für Deutschland zugelassen haben, in der Verantwortung?

Brauer: Sicherlich haben diese Leute gewissenhaft geprüft, dass das Gerät, so wie es da steht, in Ordnung ist. Aber die Tüv-Leute hätten auf die Idee kommen müssen, dass eine solche Sicherung für eine derart gefährliche Anlage ungeeignet ist. Das erwarte ich von dem Technischen Überwachungsverein, der sich ja ansonsten auch allwissend und kompetent gibt und in vielen Bereichen belehrend auftritt.

Wird Ihre Mandantschaft im Verfahren gehört?

Brauer: Ganz sicher wird die Katharina (das Mädchen, das mit in der Unglückskugel saß, Anmerkung der Redaktion) als Zeugin gehört. Die Eheleute Simon, also meine Mandanten, wohl nicht, sie werden aber beide anwesend sein.

Was wollen Sie erreichen?

Brauer: Wir können das, was geschehen ist, nicht rückgängig machen. Da wäre natürlich für alle Beteiligten das große Ziel, geht aber eben nicht. Dass das Verfahren überhaupt stattfindet, gibt den Betroffenen die Chance, sich noch einmal mit dem tragischen Geschehen auseinander zu setzen und vielleicht auch in einem gewissen Maß für sich abzuschließen. Das ist ein Stück Aufarbeitung, und deshalb werden die Eheleute Simon ja auch teilnehmen. Obwohl es sehr hart werden kann. Vor allem dann, wenn die Verteidigung der Angeklagten auf Konfrontation geht.

"...egal, wie hoch die Strafe ausfällt"

Wollen Sie auch erreichen, dass das Gerät aus dem Verkehr gezogen wird?

Brauer: Es ist schon unser Bestreben, dass im Verfahren darauf hingewirkt wird, dass derart gefährliche Anlagen entweder mit einem funktionierenden und verlässlichen Sicherheitssystem ausgestattet oder eben verboten werden. Das Verfahren bietet aber auch die Möglichkeit, die Genugtuung zu bekommen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden. Und davon gehe ich auch aus. Dabei ist es letztlich nicht entscheidend, wie hoch die Strafe ausfällt. Mehr ist es nicht, aber auch nicht weniger.

Die Fragen stellte unser

Redakteur Mario Hübner.

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