Apotheker laufen Sturm

Berlin/Saarbrücken. Deutschlands Apotheker laufen Sturm gegen die Entscheidung des saarländischen Gesundheitsministers Josef Hecken. Dieser hatte der in den Niederlanden ansässigen Internet-Versandapotheke DocMorris entgegen geltendem deutschem Apothekenrecht Ende Juni eine Genehmigung für die Betriebserlaubnis einer Apotheke in Saarbrücken erteilt.

"Mit seiner Entscheidung stellt sich der Landesminister ganz bewusst gegen deutsches Recht, das nur approbierten Apothekern erlaubt, eine Apotheke zu betreiben", wetterte gestern Heinz-Günter Wolf, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, in einer Pressekonferenz in Berlin. Gilt deutsches oder saarländisches Recht?

Mit seiner "provokanten und eigenwilligen Entscheidung" erkläre die Spitze einer Landesverwaltung den Willen des Bundesgesetzgebers für rechtswidrig und schaffe entgegengesetzte Fakten. "Auch ein noch so ambitionierter Landesminister darf Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit nicht in einem Handstreich infrage stellen", sagte Wolf gestern. Und provokant stellte der Apotheker-Präsident dann die Frage: "Was würden Sie sagen, wenn der auch für die Justiz zuständige Minister demnächst erklären würde, im Saarland werde das Verbot von Trunkenheitsfahrten auf EU-Nachbarn nicht mehr angewendet, soweit es deren Mobilität in Deutschland stärker einschränke als im Herkunftsland?" Die rund 54 000 Apotheker mit insgesamt 21 476 Filialen und einem Gesamtjahresumsatz von 35 Milliarden Euro sehen das Apothekenwesen in Deutschland durch die Saarbrücker Entscheidung in seinen Grundfesten erschüttert. Sie befürchten einen Dammbruch, weil womöglich künftig jeder Nichtapotheker, also auch große Ketten, den mittelständischen Apotheken Konkurrenz machen könnte. Die Apothekervereinigung ist fest davon überzeugt, dass hier deutsches Recht gilt, und dass es das Saarbrücker Modell deshalb nicht geben darf. Denn, so Apotheker-Präsident Wolf gestern, "es untersagt mit dem so genannten Fremdbesitzverbot juristischen Personen wie DocMorris ganz eindeutig, eine Apotheke zu führen". Aus guten Gründen dürften in Deutschland Apotheken nur von freiberuflich tätigen Pharmazeuten betrieben werden. "Sie beraten ihre Kunden unabhängig in Bezug auf das gesamte Spektrum der Arzneimittel. Werden Apotheken von Kapitalgesellschaften wie DocMorris betrieben, steigt auch die Gefahr, dass die Auswahl der Medikamente eingeschränkt wird." Saar-Gesundheitsminister Hecken, der in Personalunion auch Justizminister ist, forderte im "Handelsblatt" die Branche zu Reformen auf. Auch Apotheker müssten sich von lieb gewonnenen Besitzständen trennen. Ohne Einbußen in der Versorgungsqualität könnten locker zwei Milliarden Euro gespart werden. Dazu müsse aber das deutsche Verbot fallen, wonach der Eigentümer einer Apotheke immer Apotheker sein muss. Der Kartellsenat des Landgerichts in Saarbrücken will heute über den Eilantrag einer Saarbrücker Apothekerin entscheiden, die Betriebserlaubnis für die DocMorris-Apotheke sofort zu entziehen und die Apotheken unverzüglich wieder zu schließen. Der erfolgreiche niederländische Versand-Apotheker, der zum Beispiel rezeptfreie Medikamente um bis zu 30 Prozent billiger anbietet, beruft sich seinerseits auf die Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU. In der Hauptsache läuft dazu ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht in Saarlouis. Die saarländische Apothekerkammer, die Bundesvereinigung der Apothekerverbände und drei Apotheker haben dort Klage eingereicht. Laut Apothekerbundesvereinigung wird mit einem Urteil "frühestens in sechs bis acht Wochen gerechnet". 2005 machte Doc Morris mit rund 700 000 Kunden einen Gesamtumsatz von 150 Millionen Euro. Heute will Josef Hecken seine Position in einer Pressekonferenz in Berlin erläutern. Er stützt sich dabei auf ein Rechtsgutachten des Europaexperten Rudolph Streinz von der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Nach dem Gutachten, das bislang unter Verschluss gehalten wurde, dürfte das deutsche Fremdbesitzverbot des Apothekengesetzes schon längst nicht mehr angewendet werden, da europäisches Recht in verschiedenen Kernbereichen nationales Recht bricht. Hecken sagte gestern: "Das deutsche Apothekenrecht ist ein Überbleibsel der alten Zunftordnung aus der Zeit von Wagners Meistersingern." Das deutsche Gesundheitswesen könne es sich nicht leisten, daran festzuhalten. Mehrfach hatte die Union in der Vergangenheit verhindert, das es zu einer Lockerung des strengen Apothekenrechts kam.

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