Arbeitgeber wollen weitere Mindestlöhne

Der Mindestlohn bei der Post tritt erst ab Januar in Kraft, aber das Beispiel macht bereits Schule: Gestern meldeten sich die Arbeitgeber in den Branchen Zeitarbeit, Wachschutz und Entsorgungswirtschaft mit dem gleichen Anliegen zu Wort. Ihr Ziel: Die Bundesregierung soll die zum großen Teil noch auszuhandelnden Mindestlöhne für alle Betriebe der jeweiligen Sparte vorschreiben.

Berlin. (vet) SPD-Chef Kurt Beck hatte angekündigt, dass die entsprechende Überarbeitung des Entsende- und Mindestarbeitsbedingungsgesetzes schon im Januar vom Bundeskabinett behandelt werden soll. Über das Kleingedruckte dürfte es aber noch viel koalitionären Zoff geben, zumal die Lage in vielen interessierten Branchen weniger übersichtlich ist als im Postbereich. Um einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn zu verhindern, hatte sich die Union im Grundsatz zu branchenspezifischen Lösungen bereiterklärt. Dazu sollen die Tarifpartner bis Ende März 2008 entscheiden, ob - und wenn ja, in welcher Höhe - sie allgemeinverbindliche Lohnuntergrenzen wünschen. Voraussetzung ist, dass mindestens 50 Prozent der Branchenbeschäftigten tarifgebunden sind. Im geltenden Entsendegesetz ist diese Hürde nicht enthalten. Ein entsprechender Passus soll aber noch eingearbeitet werden. Für den Wunsch nach Lohnuntergrenzen reichen öffentliche Bekundungen nicht aus. Die Tarifpartner müssen einen Antrag beim Bundesarbeitsministerium stellen. Derzeit liegen noch keine Anträge vor. Heißer Anwärter dafür ist die Zeitarbeitsbranche. Hier existiert bereits ein Tarifvertrag mit Mindestlöhnen zwischen 6,32 Euro und 7,38 Euro, der vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und den beiden größten Zeitarbeitsverbänden IGZ und BZA ausgehandelt wurde. Nach Angaben des DGB fallen unter den Vertrag etwa 450 000 Beschäftigte. Das sind mehr als die Hälfte aller Branchenmitarbeiter. Ob es zur Allgemeinverbindlichkeit dieser Lohnuntergrenzen kommt, ist trotzdem ungewiss. Denn es gibt noch einen konkurrierenden Tarifvertrag für weitere 200 000 Beschäftigte. Die Vereinbarung mit Mindestlöhnen von nur etwa sechs Euro geht auf die christlichen Gewerkschaften und den Zeitarbeitsverband AMP zurück. Die Union sieht darin offenbar eine politische Steilvorlage: Mit seiner Partei werde es keine Entscheidung geben, den Tarifvertrag mit den höchsten Löhnen für allgemeinverbindlich zu erklären, ließ CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla kürzlich wissen. Besonders problematisch dürfte es dann werden, wenn lediglich die Hälfte der Beschäftigten einer Branche tarifgebunden ist, aber es für sie mehrere unterschiedliche Mindestlohn-Verträge gibt. In diesem Fall müsste die Regierung entscheiden, welcher Vertrag Vorrang hat. Noch vertrackter wird es beim Mindestarbeitsbedingungsgesetz aus dem Jahr 1952, auf dessen Aktualisierung die Koalition sich ebenfalls verständigt hat. Dadurch sollen Mindestlöhne per Kabinettsbeschluss auch in Branchen mit einer Tarifbindung von weniger als 50 Prozent ermöglicht werden. Das angepeilte Entscheidungsverfahren halten Experten allerdings für kaum praktikabel. Ein sogenannter Hauptausschuss, dessen Besetzung noch ungeklärt ist, müsste zunächst über die Notwendigkeit eines branchenspezifischen Mindestlohns befinden. Danach soll ein Gremium aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Lohnhöhe festlegen. Auch darin steckt viel politischer Sprengstoff. Der Parlamentarische Staatssekretär im Arbeitsministerium, Klaus Brander (SPD), ist dann auch überzeugt, dass die Union am Ende nicht um einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn herumkommen wird: "Mit den Lohnuntergrenzen für immer mehr Branchen stellen wir die Weichen dafür." Extra Das Entsendegesetz, das ursprünglich nur der Bekämpfung ausländischer Billigkonkurrenz dienen sollte, wurde bislang auf sieben Branchen angewendet. Es gilt neben der Post für das Bauhauptgewerbe, das Maler- und Lackiererhandwerk, das Abbruchgewerbe, das Dachdecker- und das Elektrohandwerk sowie für Gebäudereiniger. Die Spanne bei den Mindestlöhnen reicht von 6,36 Euro (Gebäudereiniger) bis 12,50 Euro (Bauhauptgewerbe).