Archiv: Christus' "letztes Hemd" - ein Segen für Trier

Trier · Der Heilige Rock, die bedeutendste Reliquie des Bistums, ist ein Segen für Trier - auch und insbesondere für den Fremdenverkehr. Im Juni 1512 lockte er an einem Tag 80 000 Pilger in die 10 000-Einwohner-Stadt Trier.

Trier. "Ja, 2012!”, rief einer in der Menge, als Cheforganisator Felix Genn nach dem Helferfest der Heilig-Rock-Wallfahrt 1996 sich von der Bühne herab mit einem launigen "Wir sehen uns wieder!" verabschiedete.Der unbekannte Rufer erntete damals viel Gelächter, aber er sollte Recht behalten, was das Datum der nächsten Heilig-Rock-Präsentation anbetrifft.

Felix Genn steht nicht mehr als Organisationsleiter zur Verfügung. Der 57-Jährige ist inzwischen Ruhrbischof in Essen. Sein Nachfolger für das Großereignis 2012 wird es leichter haben. Fünf Jahre Vorlauf lassen eine wesentlich entspanntere Planung zu als vor 1996.

Sehr entspannt gab sich auch Bischof Reinhard Marx, als er am späten Sonntagnachmittag die eiligst zusammengetrommelte Presse über seine Entscheidung informierte, die er anschließend im Abschlussgottesdienst der Heilig-Rock-Tage bekannt gab. Freudestrahlend berichtete er von einem "sehr ermutigenden" Bistumsfest 2007, das entscheidend mit dazu beigetragen habe, das Signal zur nächsten Heilig-Rock-Wallfahrt zu geben und eine Einladung weit über das Bistum hinaus auszusprechen: "Der Heilige Rock gehört nicht uns allein, sondern der ganzen Christenheit."

Und er ist eine ihrer bedeutendsten Reliquien.

Der Legende nach hat Kaiser Konstantins Mutter Helena das ungeteilte Gewand Christi von einer (historisch verbürgten) Reise 327 oder 328 ins Heilige Land mit nach Trier gebracht. Ältestes schriftliches Zeugnis gibt die Gesta Treverorum, die trierische Chronik des frühen 12. Jahrhunderts.

Antikes Gewebe in einem "Sandwich" aus Schichten

Etwas Licht in das Dunkel der Herkunft und Geschichte des Gewandes brachte eine eingehende Untersuchung 1973 in der Schweiz. Resultat: Die ältesten Teile der Tunika, die durchaus aus dem 1. Jahrhundert stammen kann, befinden sich in einem Konglomerat aus Textilschichten, die wie ein "Sandwich" aufgebaut sind. Unter und über diesem verfilzten Wollstoff liegen stützende Textilien. Sie entstammen den zahlreichen Ausbesserungen und oft ungeeigneten Konservierungsmaßnahmen der Wallfahrten früherer Jahrhunderte. Was man heute sieht, ist nicht die Reliquie selbst, sondern hüllende Stoffe. Der antike Heilige Rock befindet sich quasi in einem neuen Rock, in einem textilen Reliquiar, ähnlich wie sich "normale" Reliquien oft in einem Metallbehälter eingeschlossen finden.

Ab 1196 war der Heilige Rock in einer Kiste verpackt im neu geschaffenen Hochaltar im Ostchor des Trierer Doms eingemauert. Ans Tageslicht kam er erst wieder am 14. April 1512 auf Drängen Kaiser Maximilians I., der zum Reichstag nach Trier gekommen war. Der Beginn einer großen Wallfahrtstradition. Im Mai und Juni zeigten die Domherren den Publikumsmagneten dem Volk. Alleine am 30. Juni 1512 sollen 80 000 Wallfahrer nach Trier gepilgert sein, das damals nur rund 10 000 Einwohner hatte.

Bis 1517 fanden jährliche Ausstellungen statt, später wurden die Abstände größer, ehe Kriege die Wallfahrtstradition unterbrachen. Die Ausstellung von 1655 war für 150 Jahre die letzte.

Der Heilige Rock wurde mehrfach ins Rechtsrheinische "evakuiert"; erst 1810 kam er nach einer langen Odyssee wieder dauerhaft nach Trier zurück.

Wie sein im Januar gestorbener Vorgänger Hermann Josef Spital will auch Bischof Reinhard Marx das kostbare Stück für einige Wochen aus seinem Aufbewahrungsort, der vor 300 Jahren gebauten Heilig-Rock-Kapelle des Doms, hervorholen und es den Gläubigen präsentieren. "Die Kirche steht vor großen Herausforderungen, es geht letztlich um einen ,Aufbruch im Umbruch'", erklärt Marx "in der Hoffnung, dass die Vorbereitung auf 2012 und dann die Wallfahrt selbst helfen, unsere notwendigen Veränderungen vom Evangelium her zu gestalten und das Volk Gottes neu zu sammeln für eine wirkliche Neu-Evangelisierung unseres Landes". Die Zugkraft des religionspolitischen Symbols ist jedenfalls enorm. Felix Genn erinnert sich sehr gerne an 1996: "Oft war die Hölle los. Das war wirklich himmlisch."

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