Armutsrisiko Kind

Trier · Wenn gespart werden muss, dann merken das auch die jüngsten Familienmitglieder. Denn oft kostet gesellschaftliche Teilhabe Geld, das nicht vorhanden ist.

"Das Gefühl, nicht wirklich dazuzugehören - das knabbert am Selbstwertgefühl." Bernhard Klein weiß, wovon er spricht: Er ist Gesamtleiter der Kindertagesstätten (Kita) beim Sozialdienst Katholischer Frauen (SKF). Die prekäre finanzielle Situation zu Hause geht an Kindern nicht spurlos vorüber. Wenn man an dem Tag, an dem ein Ausflug geplant ist, einfach nicht in den Kindergarten geht, weil mitfahren zu teuer wäre. Genauso wie der Kinobesuch mit den Freunden. Klein beobachtet einen schleichenden Prozess, in dem sich die Kinder immer mehr zurückziehen.

Armut bei Kindern beginne bereits mit der Geburt, sagt seine Kollegin Ruth Römer-Meyer, die beim SKF unter anderem für die Schwangerschaftsberatung zuständig ist. Das Armutsrisiko sei vor allem bei Familien mit mehreren Kindern und bei Alleinerziehenden existent. "Sobald das Kind da ist, erhöhen sich die Ausgaben", sagt die Sozialpädagogin. Beispiel Miete: Die Wohnungspreise seien in Trier sehr hoch. Oft reiche die staatliche Unterstützung nicht aus. Dann müsse woanders etwas abgeknapst werden, um die Miete bezahlen zu können - auch zu Lasten der Kinder.

Die betroffenen Familien bildeten heute keine homogene Gruppe mehr. "Früher war die Klientel eindeutiger", sagt Römer-Meyer. Sie habe auch schon ein Ehepaar beraten, dass das erste Kind erwartete. Der Mann war voll berufstätig, und trotzdem hatten sie mit einem Kind weniger als den Hartz-IV-Satz zur Verfügung.

Die Teilhabe an Freizeit und Bildung falle schnell "hinten runter", beobachtet Römer-Meyer. Auch wenn viele der betroffenen Eltern viel Wert auf Bildung legten. "Viele Familien können sich externe Förderungen wie Nachhilfe nicht leisten", sagt auch Anette Müller-Bungert, Psychologin am Institut für schulische Fortbildung und schulpsychologische Beratung in Trier. Oft seien Eltern zudem selbst nicht in der Lage, zu unterstützen und zu fördern. Darauf zu achten, dass und wie die Hausaufgaben gemacht sind. Einen strukturierten Tagesablauf zu gestalten, familiäre Spielregeln aufzustellen, Konsequenzen umzusetzen.

"Viele Kinder bekommen zu wenig Aufmerksamkeit", meint Müller-Bungert. Das hänge nicht allein mit der finanziellen Situation zusammen und sei fast in allen Bevölkerungsschichten zu beobachten. Es liege auch an dem, was man bereit ist, an Energie zu investieren, meint die Psychologin. Nur dass Familien, die nicht über genug Geld verfügen, das Problem nicht verlagern könnten, in dem sie zum Beispiel ihr Kind zur Nachhilfe schicken oder ein Instrument lernen lassen.

Pastor Reinhart Büker vom Jugendwerk Don Bosco macht Armut bei Kindern und Jugendlichen nicht nur am zur Verfügung stehenden Geld fest. Er spricht von sozialer Armut, die er auch im Jugendwerk in Trier-West beobachtet. Von der Unfähigkeit, sich zu beschäftigen. Wer immer nur vor der Playstation hocke und unterhalten werden wolle, der sei arm. Das habe etwas mit der Werteeinstellung, mit Lust- und Perspektivlosigkeit zu tun. "Jede Aktivität, jedes Fußballspiel hat deswegen auch therapeutischen Charakter", meint er. Und fügt hinzu: "Wer vernünftig miteinander spielt, sich engagiert, sich für eigene Sachen starkmacht - der wird es später leichter haben." Ariane Arndt

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